4. Ränge, fehlender Reifendruck und müde Beine

4. Ränge, fehlender Reifendruck und müde Beine

Blüemlisalplauf 2022

Immer wieder hatte ich in den vergangenen Jahren von diesen schönsten 10 Meilen im Berner Oberland gehört, es jedoch nie geschafft, am Blüemlisalplauf teilzunehmen. Da dieser leider seine Derniere hat, war es für mich klar, dass ich die 16km und 700 Höhenmeter von Reichenbach hoch auf die Griesalp in Angriff nehmen wollte. Zudem passte das Datum sehr gut in die Saison, weshalb ich mir den Termin schon früh im Jahr herausgestrichen hatte. Allerdings standen die letzten Wochen wieder im Zeichen von höheren Trainingsbelastungen, weshalb sich eine gehörige Portion Vorermüdung (wohl auch durch die hohen Temperaturen beeinflusst) akkumulierte und ich daher den Lauf auch als Training betrachtete.

Als ich am Morgen aus dem Wallis ins Oberland anreiste, sagte ich zu Nadia noch, dass ich mich nicht erinnern könne, jemals so müde Beine vor einem Wettkampf gehabt zu haben…

Diese wurden jedoch durch einen ordentlichen Motivationskick im Startgelände wachgerüttelt, als der Speaker mich als Mitfavoriten auf die Podestplätze ankündigte.

So standen die über 700 Teilnehmenden mitten in Reichenbach auf der Dorfstrasse und stürmten los in Richtung Kiental. Sofort reihte ich mich vorne ein und übernahm auf den ersten beiden flachen Kilometern teilweise auch die Führung. Bereits am ersten Aufstieg schaltete der bis dahin neben mir laufende Jonathan Schmid, Berglaufschweizermeister 2021, das Tempo auf eindrückliche Art und Weise zwei Gänge nach oben. Die beiden starken Läufer der LV Thun, Jerome Furer und Markus Peter, gingen dieses Tempo sogleich mit, während ich immer noch am herausfinden war, was meine Beine heute wirklich hergeben würden.

Mit Markus Peter unterwegs in Richtung Griesalp. Schlussendlich zog ich den Kürzeren gegen den stark laufenden Athleten der LV Thun (notabene meinem früheren Verein…). Bild: bluemlisalp-lauf.ch

Bald lief ich auf Rang 4 und konnte eine Lücke auf meine Verfolger aufreissen. Der Fokus lag also zu 100% bei mir und so kam ich noch vor dem ersten Flachstück wieder an Markus Peter heran. Wir wechselten kurz ein paar Worte, dann zog ich das Tempo sofort wieder an. Auch hier konnte ich mich kontinuierlich absetzen, staunte dann aber nicht schlecht, als Peter nach der ersten Downhillpassage bereits wieder neben mir lief. Das Spiel ging dann über die nächsten Kilometer so weiter: Ich setzte mich in den Aufwärtspassagen jeweils etwas ab, verlor den Vorsprung aber auf den abwärtsverlaufenden Streckenabschnitten sogleich wieder.

So liefen wir mehr oder weniger zusammen auf dieser wunderschönen Strecke und wurden von Wanderern oder kleinen Zuschauergruppen (inkl. ohrenbetäubenden Kuhglocken) angefeuert. Das half sogar auch etwas über die nun immer müder werdenden Beine hinweg und teils vergass ich beinahe, dass ich mich in einem Rennen befand.

Nach 15km in den Beinen schmerzen 28% Steigung umso mehr. Die steilste Postautostrecke von Europa hatte es in sich.

Nach dem Dorf Kien kam ein kleines Flachstück in welchem ich, man kann es vorneweg nehmen, das Rennen um den anvisierten Podestplatz verlor. Peter schien zum gefühlt zehnten Mal eine neue Lunge erhalten zu haben und übernahm plötzlich selber das Tempodiktat. Die aufgehende Lücke von ca. 10 Sekunden beunruhigte mich nicht weiter, da ich auf meine Stärke am Berg vertraute und das pièce de résistance ja noch vor uns lag. Die letzten 1.5 Kilometer gingen über die steilste Postautostrasse von Europa hoch, welche eine maximale Steigung von 28% erreicht. Ich war fest entschlossen, mir diesen
3. Rang zu holen und ging auf all in. Tatsächlich kam ich dem nun knapp 30m vor mir laufenden Thuner näher und näher. Rund 700m vor dem Ziel explodierte ich jedoch buchstäblich. Ich überstieg wohl zu lange mein Limit und wusste innerhalb weniger Sekunden, dass ich mich mit dem 4. Platz begnügen musste. Die letzten Meter von dieser unsäglich steilen wie schönen Strasse, hoch auf die Griesalp konnte ich dann trotzdem noch etwas geniessen. Das Zielgelände war gefüllt mit Zuschauern und es herrschte eine großartige Stimmung.

Mit der Endzeit von 1:08:47 konnte ich dennoch eine gute Streckenzeit realisieren und war entsprechend zufrieden.

Im Ziel traf ich auf Prominenz: Der Extremsportler aus dem Berner Oberland und mehrfacher Gewinner des Red Bull X-Alps, Chrigel Maurer, liess es sich nicht nehmen, ebenfalls am Blüemlisalplauf teilzunehmen.

Das Zeitfahrgefühl holen

In der darauffolgenden Woche hielt ich den Trainingsrhythmus hoch und absolvierte sämtliche Einheiten auf dem Zeitfahrvelo. Das am Wochenende anstehende Einzelzeitfahren in Thun sollte mir einen direkten Vergleich zum Vorjahr liefern. Im Gegensatz zum 2021 bereitete ich dieses Rennen jedoch nicht speziell vor. So stand ich auch an diesem Sonntag, wie in der Woche zuvor, mit leicht von Muskelkater geplagten Beinen (eine Erinnerung an einen lockeren und auf jeden Fall sehr schönen Traillauf auf dem Rosswald) am Start dieses 15.1km langen Kurses. Meine Nerven wurden vor meinem Einsatz zusätzlich noch etwas strapaziert, da ich den Adapter (trotz mehrmaliger Kontrolle) zum Aufpumpen des Scheibenrads plötzlich nicht mehr fand und sich auch vor Ort kein solches Teil finden liess. So stürzte ich mich wohl mit etwas zu wenig Druck im Hinterrad auf die Strecke. Anfängerfehler – selber schuld!

Während 20min all out! 377 Watt und 45.22km/h im Schnitt. Auch der zweite Wettkampf innert einer Woche erfüllte seinen Zweck voll und ganz.

Zeitfahren haben jeweils einen speziellen Charakter: Du gehst von der Startrampe mit Unterstützung der Zuschauer ins Rennen, beschleunigst, gehst in die Zeitfahrposition und plötzlich ist es still. Du hörst nur noch dich selber und dein Rad, versuchst den Rhythmus zu finden und dich ins Rennen hineinzuarbeiten. Immer wieder ein tolles Gefühl!

Vor dem Start bekam ich mit, dass die vor mir erzielten Resultate darauf hindeuteten, dass der Kurs aufgrund des Windes etwas langsamer war als im Vorjahr. Ich konzentrierte mich so oder so mehr auf mich selbst als auf Umgebung oder Verhältnisse. Bereits kurz nach dem Start spürte ich, dass dies eine ganz zähe Sache werden würde. Erstaunlicherweise konnte ich trotzdem recht konstant zwischen 360-380 Watt drücken, riskierte aber in den paar technischen Teilen der Strecke nicht alles – da fehlen mir einfach auch die Skills. 

Am totalen Limit fahrend konnte ich mich mit einer Zeit von 20:02 ins Ziel retten, war aber derart am Anschlag, dass ich kaum mehr ab dem Rad absteigen konnte. Selten fuhr ich so im dunkelroten Bereich. Tatsächlich konnte ich die letztjährige Zeit um 6 Sekunden verbessern, verpasste aber das insgeheim erhoffte Sub20-Resultat.

Für mich auf jeden Fall die wichtige Erkenntnis, dass sich auch die Veloform entwickelt. Diese Gewissheit, zwei tolle Rennen sowie viele gute Trainings nehme ich mit in die nächsten zwei Wochen, bis dann in Zug die Schweizermeisterschaften in der Standarddistanz (10/40/5) anstehen.