Back in the game am Gondo Running!

Back in the game am Gondo Running!

Magenprobleme

Nach dem Powerman France war es mit den Magenbeschwerden leider nicht vorbei. Ganz im Gegenteil: Bei jedem Training machte sich ein undefinierbarer Schmerz im Bauchraum breit. So kam ich nicht darum herum das Ganze durchchecken zu lassen. Die Diagnose lautete Gastritis, sprich eine Entzündung der Magenschleimhaut. Zumindest waren nun die Krämpfe und das Unwohlsein in Frankreich erklärbar. Ein unter Belastung stehender und zusätzlich noch entzündeter Magen wird halt zwangsläufig auch mit der Kohlenhydrat- und Salzaufnahme entsprechend Mühe haben.

Eine verordnete Kurzpause war das Eine und Magensäurehemmer essen das Andere. Tatsächlich wirkten die Medikamente sehr schnell und vor allem anhaltend. Trotzdem musste ich den Spiezathlon sausen lassen, rückte aber danach das Langdistanztraining in den Hauptfokus.

Von einem kompletten Paradigmenwechsel im Training kann man zwar nicht sprechen, dennoch merke ich deutlich, dass sich die neuen Impulse auswirken. Läuferisch ist der Pfupf auf den kürzeren Distanzen momentan etwas weg, dafür entwickelt sich mein Stoffwechsel langsam aber sicher in Richtung «Dieselmotor». Es wurde also Zeit, das System endlich mal wieder unter Wettkampfbedingungen zu testen.

Ein etwas anderer Longrun

Der Gondo-Marathon stand schon seit geraumer Zeit auf meiner To-Do-Liste. Dieser in einem sehr familiären Ambiente ausgetragene Berglauf wurde nach der Unwettertragödie in Gondo im Jahr 2000 ins Leben gerufen. Damals verschüttete ein massiver Erdrutsch das halbe Grenzdorf und einen Teil der Simplonpass-Strasse unter sich.

Nachdem es in den vergangenen Jahren nie in die Planung gepasst hatte, freute ich mich umso mehr den «Kurzlauf» von 28km und 1400 Höhenmetern in Angriff zu nehmen. Da ich das ganze Jahr über viel Zeit auf dem Rosswald oberhalb von Brig verbringe, ist dieser Lauf eigentlich ohnehin Pflicht. Los geht es in Ried-Brig, hoch auf den Simplonpass, durch die Gondoschlucht hinunter bis kurz vor die Grenze. Das alles auf dem bekannten Stockalperweg, der zu früheren Zeiten ein viel genutzter Säumerpfad war.

Auf der anderen Seite des Simplonpasses im Grenzdorf Gondo liegt das Ziel.

Das Höhenprofil als auch meine Streckenkenntnisse, liessen mich wissen, dass ein hartes Stück Arbeit vor mir lag. Ganz unbescheiden definierte ich für mich selber zwei Ziele: Den Gesamtsieg und das Durchbrechen, der auf dieser Strecke geltenden Schallmauer von 2:30 Stunden. Seit dem Beginn war das nur einer Handvoll Läufer gelungen, darunter auch ausgewiesenen Bergspezialisten.

Das Streckenprofil zeigt den Anspruch der Strecke schön auf: Viel Uphill und noch mehr Downhill.

Kontrolliertes «all in»

Vom ersten Meter an übernahm ich die Führung und wollte meine Ambitionen klarmachen. Gleich nach dem Start schlängelten sich die Läufer durch das Dorf Ried-Brig und bogen bald in den Stockalperweg ein. Sofort wurde es steil und bereits nach einem Kilometer waren wir nur noch zu dritt unterwegs. Mit dabei war der ehemalige Bahnspezialist Andreas Ammann und Guido Heynen, ein bekannter und starker Läufer aus dem Oberwallis, der den Lauf schon mehrfach gewonnen hatte. Insbesondere ihn hatte ich auf dem Radar.

Auf den ersten 3.5km hoch nach Schallberg fühlten sich meine Beine grossartig an. Ohne grossen Aufwand lief ich beim ersten Verpflegungsposten bereits mit 40 Sekunden Vorsprung auf Ammann vorbei. Die Downhillpassage wurde dann wie erwartet zu einer Zitterpartie: Ich liess es zwar ziemlich rauschen, merkte aber, dass mir meine Verfolger wieder näherkamen. 300 Höhenmeter tiefer und mit zitternden Beinen kam ein Rhythmuswechsel, der den Körper erst einmal in einen Schockzustand versetzte. Nach und nach fand ich mein Tempo wieder und versuchte in der kommenden halben Stunde richtig Druck zu machen. Tatsächlich stellte ich fest, dass Ammann zweitweise nicht mehr zu sehen war und auch Heynen konnte ich nirgends mehr ausmachen.

Das Pièce de Résistance waren die 400 Höhenmeter auf 1.5km Laufstrecke, welche hoch auf den Simplonpass führten. Ich wurde leicht unruhig als ich in den Serpentinen unter mir plötzlich wieder meinen ersten Verfolger auftauchen sah. Meine Beine meldeten sich nun ein erstes Mal deutlich und ich verdrängte den Gedanken, dass ich die Halbzeit gerade erst passieren werde.

Nach 10km aufwärts folgen 18km abwärts

Auf der Passhöhe wurde ich als Führender mit Kuhglocken und Anfeuerungsrufen empfangen. Auch stand mein Schwiegervater mit meiner Verpflegung bereit. Ich gönnte mir ein paar gehende Schritte und lief dann auf dem flachen Stück mit einer kontrollierten Pace von 3:35min/km in Richtung Restaurant Monte Leone. Auf den 2000 Höhenmetern war die etwas dünnere Luft bereits gut spürbar.

Bei km12 warf ich ein erstes Mal einen Blick über die Schulter und erkannte, dass sich Ammann als hartnäckiger Verfolger und definitiv besserer Downhill-Läufer erwies. Notabene war ich vielleicht auch nicht zu 100% bereit ein zu grosses Risiko einzugehen. Wie dem auch sei: Vorbeilaufend an der wunderschönen Berglandschaft, dem Steinadler und dem alten Hospiz kam es bald zum Zusammenschluss. Ich winkte meinen Verfolger vorbei und heftete mich an seine Fersen. Das Tempo schien mir machbar, trotzdem dosierte ich in den steileren Passagen jeweils etwas und investierte auch in die Verpflegung. Obwohl ich den flacheren Passagen mit unterdessen ordentlich durchgeschüttelten Beinen auch nach 17km immer noch um 3:30min/km laufen konnte, ging eine leichte Lücke auf, welche bis zur Zwischenzeit in Simplon Dorf auf 17 Sekunden anstieg.

Andreas Ammann und ich konnten unterwegs voneinander profitieren und uns gegenseitig pushen. Aufwärts war ich etwas stärker, abwärts hatte er die besseren Beine.

Zum zweiten Mal bekam ich mein Getränk gereicht, warf einen Blick auf die Uhr und stellte erfreut fest, dass ich voll auf Kurs lag um die 2:30 Stunden zu unterbieten. Was ich mir nicht erklären konnte war mein aktuell 2. Rang. Der Rückstand von Heynen auf mich betrug zu diesem Zeitpunkt 4:23min was mir zeigte, dass ich sensationell auf Kurs lag. Dennoch lag ein Läufer in Front, welchen ich weder kannte noch auf dem Schirm hatte.

Es lagen nun noch harte 40 Minuten vor mir und ich wechselte zwischen super Laufgefühl und bleischweren Beinen hin und her. Die in der Gondoschlucht immer wieder auftretenden, kurzen Gegensteigungen wurden nun richtig hart, trotzdem sah ich immer wieder das weisse Trikot vor mir auftauchen. Ich hoffte, dass sich mein bis dato unbekannter Gegner verschätzt haben könnte. Und tatsächlich keimte nochmals etwas Hoffnung auf als ich erkannte, dass der Rückstand von zwischenzeitlich einer halben Minute nach und nach wieder zu schmelzen begann.

Die folgenden Streckenpassagen hatten einen ganz speziellen Charakter. Da gab es die zweitweise rund 50 Meter tiefe Gondoschlucht, in welcher sich die tosende Doveria hinunter schlängelte und als besonderes Highlight, das Durchlaufen das Fort Gondo. Die in den beiden Weltkriegen ausgebaute Festung wurde in langen, engen und nicht allzu hohen Tunnels durchlaufen und gaben ein ganz spezielles Flair ab.

Ganz vorne am Tunnelausgang sah ich den Führenden verschwinden, während ich durch den kühlen Gang hindurchhastete. Noch 2km bis ins Ziel. Mit nun sehr müden Beinen versuchte ich die letzten technischen Passagen zu überwinden und erkannte in den Gegensteigungen, dass Ammann nun am Anschlag lief und aufwärts gehen musste. Ich zapfte meine letzten Reserven an.

Ein emotionaler und sehr spezieller Moment folgte im Ziel. Genau das macht den Sport aus!
Bild: pomona media

Nach 2:28:10 endlich in Gondo

Es reichte schlussendlich nicht mehr. In Gondo lief ich als Zweiter in einer Wahnsinnszeit von 2:28:10 über die Ziellinie, rund 11 Sekunden hinter dem hochverdienten Sieger Andreas Ammann. Dieser wurde im Ziel von seinen Emotionen übermannt und realisierte wahrscheinlich im ersten Moment selbst nicht, was ihm hier leistungsmässig für ein Husarenstück gelungen war. Auch wenn das jetzt komisch tönt: Noch nie fühlte es sich so richtig an, einen Sieg verpasst zu haben bzw. freute ich mich so stark über den 1. Rang eines Konkurrenten.

Er realisierte auf dieser Strecke die zweitbeste je gelaufene Zeit, während ich mich in dieser inoffiziellen Bestenliste auf Rang 3 eintragen durfte. Das Podest komplettierte der mehrfache Gewinner des Gondo Runnings, Guido Heynen, mit rund 6 Minuten Rückstand.

Zwei Walliser und ein Berner ergaben schlussendlich das Siegerpodest beim Gondo Run. Gratulation, es war ein super Rennen mit euch!

Was bleibt?

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass die Formentwicklung passt, die Gesundheitsprobleme überwunden sind und wieder eine grosse Portion Leidenschaft mit an Bord ist.

Ein grosser Dank geht an das OK des Gondo Marathons. Leidenschaft, gepaart mit einer familiären und sehr unverkrampften Atmosphäre machen den Anlass zu einem ganz speziellen Erlebnis.