Duathlon Schweizermeisterschaften 2023
Umfang, Umfang, Umfang
Nachdem die Woche vor den Meisterschaften nochmals tüchtig an der Umfangsschraube gedreht und an die 20 Stunden trainiert wurde, war ich am Montag in der Rennwoche ziemlich platt. Die Läufe fühlten sich zäh an und die Beine waren irgendwie 10kg schwerer als sonst. So beschlossen wir, den Plan innerhalb der Woche etwas anzupassen und an Belastung rauszunehmen. Tatsächlich wurden die Beine von Tag zu Tag besser, so dass ich zwar nicht in Bestform aber zumindest bei 95% der Kräfteskala war.
In den vorangegangenen Wochen standen nebst Umfang vor allem submaximale Intensitäten auf dem Programm. Dass mir dadurch der Punch in den Spitzen etwas fehlen würde war mir bereits vor den Meisterschaften bewusst. Auch deshalb war ich gespannt, wie ich mich auf der Standarddistanz (10/40/5) schlagen würde. Es war dann auch sowas wie das Aufeinandertreffen von Sprint- und Langdistanzkader, was die Sache zusätzlich spannend machte. Zudem war mit Benjamin Ueltschi der overall Agegroup-Sieger vom Ironman 70.3 in Kraichgau am Start, mit dem sicher auch zu rechnen war.
Start zu den Schweizermeisterschaften 2023. Leider merkte ich schnell, dass die Beine nicht zu 100% mitmachten.
Bild: mitchproductions.ch
1. Lauf, 10km
Nachdem um 8 Uhr der Start erfolgte, formierten sich an der Spitze des Feldes die üblichen Verdächtigen. Ich merkte bereits nach 2km, dass ich nicht die Laufbeine hatte, die es für ein Mitlaufen ganz vorne wohl brauchte. Ich fand dann irgendwann einen anständigen Rhythmus und lief in der zweiten Runde zuerst zu Jens-Michael Gossauer und kurz später zu Benjamin Ueltschi auf. Der Blick nach hinten zeigte zudem, dass bereits eine grosse Lücke auf die nächsten Verfolger klaffte.
Auf der 3. Position im Rahmen der Meisterschaft liegend, wechselte ich auf das Rad und ging die Sache sehr kontrolliert an. Aufgrund der nur 15 Sekunden Vorsprung auf Gossauer und Ueltschi fuhr ich nicht mit der vollen Attacke los, da ich damit rechnete, dass die beiden sehr starken Radfahrer gemeinsam die Lücke ohnehin zufahren würden. Es wollten also etwas Kräfte gespart und eine Portion Taktik hineingeworfen werden – schliesslich geht es ja um Medaillen.
Irgendwann fand ich einen halbwegs passablen Rhythmus. Trotzdem fiel die Laufperformance eher dürftig aus. Das langdistanzorientierte Training zeigt seine Spuren in den schnelleren Sachen.
Bild: mitchproductions.ch
Bike, 40km
Nach rund 6km war der Zusammenschluss Tatsache. Obwohl wir nun zu dritt unterwegs waren, blieb keine Zeit für Zurückhaltung. Konstant über 300 Watt fahrend hatten wir eine gute Dynamik und jeder trug seinen Teil zur Führung bei. Aufgrund von weiteren Athleten, welche auf der Strecke waren, passierte leider in den darauffolgenden Kilometern einmal mehr das, was ich auf dieser Strecke seit meiner ersten Teilnahme beobachte: Es gab Zusammenschlüsse, wobei die Windschattenregel nicht von allen gleich genau genommen und teils über Minuten hinweg in klar reglementwidrigen Abständen gefahren wurde. Ich bin der Meinung, es würde der Sache gut tun, wenn in solchen Situationen nach Ermahnungen auch mal Zeitstrafen ausgesprochen würden. Wie dem auch sei: Beim einzigen kurzen Aufstieg bei Immensee ging ich kurzerhand in den Angriff über: Ich setzte eine Attacke, fuhr an die Spitze und wollte damit die Gruppe sprengen. Zwar kam ich nicht ganz weg aber tatsächlich waren wir kurz danach mit einem Triathleten nur noch zu viert unterwegs und das Ganze pendelte sich wieder bei korrekten Bedingungen ein. Ein Dankeschön geht an Gossauer und Ueltschi, welche super fair und stark gefahren sind.
Mit Schwung auf das Bike und ab auf die bevorstehenden 40km.
Bild: mitchproductions.ch
Leider verpasste ich durch eine kleine Unaufmerksamkeit bei Kilometer 25 den Postabgang. Ueltschi riss taktisch clever eine Lücke auf, welche ich nicht mehr zufahren konnte. Da Gossauer aufgrund von Asthmaproblemen selbst am Anschlag war und kurz darauf den Kontakt verlor, war ich nun auf mich allein gestellt. Zu diesem Zeitpunkt fuhr ich in der Schweizermeisterschaftswertung auf Rang 3 und erhoffte mir, diesen Platz auf dem 2. Run definitiv zu sichern. Die vereinzelt auftretenden Wadenkrämpfe zeigten mir nur zu deutlich auf, dass ich auf dem Rad Einiges investiert habe. Auch die Auswertung im Nachgang zeigte, dass ich 20 Watt mehr drücken musste als im letzten Jahr.
2. Lauf, 5km
Beim Herauslaufen aus der Wechselzone hörte ich durch den Speaker, dass nun nicht mehr Gossauer sondern der Tessiner Andrea Alagona mein erster Verfolger war. Als Athleten aus dem Sprintkader sah ich ihn auf dieser kurzen zweiten Laufstrecke realistischerweise im Vorteil. Nach 6min Laufzeit tauchte dieser tatsächlich hinter mir auf und überholte mich dann sogleich. Da ich zu dem Zeitpunkt relativ kontrolliert lief, konnte ich den Schaden vorerst begrenzen und mein Rückstand bei rund 20m einpendeln. Auf dem Rückweg in Richtung Ziel fand ich dann endlich einen anständigen Rhythmus und lief langsam wieder heran. Zudem erkannte ich, dass auch der Rückstand auf Rang 2 plötzlich rapide zusammenschmolz. Beim Einbiegen auf die Seepromenade, ca. 700m vor dem Ziel versuchte ich dann, die Sache noch irgendwie zu drehen. Als ich mich bis auf 5m herangearbeitet hatte, beschloss ich auf all in zu gehen. Ich zog das Tempo kurzerhand an und lief mit allem, was noch im Tank vorhanden war, vorbei. Ich konnte mich leider nicht entscheidend absetzen, musste gezwungenermassen nochmals etwas Tempo rausnehmen und trat sogleich ein zweites Mal an. Ich kam mir in dem Moment vor wie Thibaut Pinot am diesjährigen Giro d’Italia, welcher in der Etappe nach Crans Montana immer und immer wieder attackierte. Es gab leider eine weitere Parallele zu dieser Geschichte: 200m vor dem Ziel war es dann um mich geschehen. Ich kippte beinahe um und war gefühlt kurz vor dem Stillstand.
Mit 7 Sekunden Rückstand auf Bronze und deren 11 auf Silber ging für mich diese SM mit einer leisen Enttäuschung zu Ende. Man sollte eigentlich meinen, dass die jeweils drittbesten Laufzeiten und die zweitbeste Radzeit zum Podest reichen sollten. Insofern war es auch weniger die eigene Leistung, mit welcher ich haderte, sondern vielmehr mit der knappen Art und Weise, wie ich die Medaille verpasste.
Auf jeden Fall Gratulation an den neuen Schweizermeister Benjamin Ueltschi und den Tagessieger Daan de Groot, welcher erneut eine Klasse für sich war.
Und: Ein grosses Dankeschön an die Organisatoren des Zytturmtriathlons für den grossen Aufwand und mitchproductions für die Bilder!
Wäre spannend zu wissen, wie viel Laktat ich auf diesem Bild wohl im Blut hatte. Ich kann mich seit meiner 400m Hürden Zeit nicht mehr erinnern, jemals so «blau» gewesen zu sein.
Bild: mitchproductions.ch
Etwas später erfuhr ich, dass ich mich nach zwei Rennen der swissduathlon-Serie hinter de Groot auf dem 2. Platz befinde und mich damit als sowas wie der kurzfristig «konstanteste» Schweizer Duathlet bezeichnen darf. Diesen Rang werde ich aber bereits am übernächsten Wochenende wieder abgeben, da mein Augenmerk nun in den nächsten Wochen dem bevorstehenden Ironman 70.3 gilt, welcher wiederum als Zofingen-Vorbereitung zu betrachten ist. Auf diese Triathlon-Challenge freue ich mich echt riesig! Absaufen verboten 😉
Am 25. Juni um 7 Uhr geht es in Westfriesland ins Wasser – Fortsetzung folgt.
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