Duathlon World Championships Longdistance
Speedtest in Locarno
In diesem Jahr sah die Vorbereitung auf den Powerman Zofingen etwas anders aus. Anstatt bis zum Ende hohe Umfänge zu absolvieren, setzten wir auf den Formaufbau mittels Wettkämpfe. Der Allgäu-Triathlon zeigte mir vor allem auf, dass sich der 2. Lauf wunschgemäss entwickelt und zudem die Form auf dem Bike aufwärts zeigt.
Hinter diesen beiden Sachen konnte also ein Haken gesetzt werden. Es galt nun also das Gaspedal nochmals etwas durchzudrücken und einige Temporeize zu setzen. Eine Woche vor Zofingen, nutzte ich den Sprintduathlon in Locarno somit als letzten wettkampfmässigen Test. Mit dem Italiener Marco Corti stand zudem ein starker Duathlet am Start, welcher bei der Elite beim Powerman Zofingen auch schon in den Top10 rangiert war, und eine ideale Referenz bot.
Ich lief den 1. Lauf sehr hart an und kam in Führung liegend mit über 20 Sekunden in die Wechselzone. Die nachfolgenden knapp 20km auf dem Bike fuhr ich nahe am Limit und bis zum zweiten Wechsel 2 Minuten an Vorsprung heraus. Der abschliessende 2. Lauf über 5km musste ich dann nicht mehr ganz «all in» gehen – hart war es jedoch aufgrund der sehr hohen Temperaturen allemal. Ein Sieg, ein super Gefühl sowie sehr gute Leistungswerte konnte ich aus dem Tessin mit nach Hause nehmen. Zofingen konnte also kommen!
Ein weiteres Hitzerennen und der zweite Sieg im Rahmen der Swissduathlon-Serie! Die Form für Zofingen stimmte mich zuversichtlich.
Powerman Zofingen
Es gibt keinen Wettkampf, vor welchem ich so grossen Respekt habe wie die Langdistanz Weltmeisterschaft in Zofingen. Oder etwas dezidierter ausgedrückt: Der Powerman Zofingen ist ein «Duathlon-Monster». Ich fand hier in der Vergangenheit meine physischen und mentalen Grenzen und wusste daher ganz genau, was mich erwarten würde. Wieso man sich das immer wieder antut? Gute Frage! Wahrscheinlich, weil man als Athlet Grenzen verschieben möchte und einem solche Erfahrungen trotzdem mehr geben als nehmen.
Nach meinem ersten Start und dem 10. Rang im Rahmen der Elite-Weltmeisterschaft vor drei Jahren, rückte ich in jedem Jahr etwas weiter nach hinten in der Rangliste. Das war meiner Ansicht nach zwei Aspekten geschuldet: erstens hatte ich in den letzten zwei Jahren massiv mit der Wärme zu kämpfen und zweitens stieg das Leistungsniveau von Jahr zu Jahr weiter an.
Ich ging mit einer erstaunlichen Gelassenheit ans Werk. Die Saison war bis anhin nahezu optimal verlaufen, deswegen stresste ich mich nicht allzu stark mit irgendwelchen Erwartungen.
Am Samstag fand wie immer das Athletenbriefing in Zofingen statt. Grosse Überraschungen gab es diesbezüglich nicht – die Regeln hatte ich eigentlich im Griff. Es sollte mir dennoch ein Missgeschick passieren. Dazu aber später mehr.
Check-In und Elite-Frauen
Am Sonntagmorgen war bereits um 5 Uhr Tagwache. Immerhin konnte ich aber im eigenen Bett in Bern schlafen, was vor einem Rennen nie schlecht ist. Es war fast wie ein Déjà-vu, als wir den Van in der Seitenstrasse in unmittelbarer Startnähe in Zofingen parkierten. Gewisse Abläufe spielen sich einfach ein.
Ich brachte das Check-In als einer der ersten Elite-Athleten hinter mich und händigte dann dem Nationalcoach Cameron Lamont, die Verpflegung für den 2. Lauf aus. Ich entschied mich an diesem Tag zudem, mit dem normalen Aero-Strassenhelm und nicht dem Zeitfahrhelm zu fahren. Zu oft haben mir Temperaturen bei 23 Grad gereicht, um bei langen Rennen in einen Hitzestau zu geraten. Lesson learned!
Danach hatte ich über eine Stunde Zeit, um mich mental auf das Rennen einzustellen. Vorab verfolgte ich jedoch noch den Start der Elite-Frauen, bei welchem mich vor allem das Rennen meiner Kollegin Melanie Maurer interessierte. Wir hatten ihre finalen Vorbereitungswochen sowie die Renntaktik gemeinsam erarbeitet – ihre Form war bestechend. Gleichzeitig wussten wir, dass ihre Gesundheit nicht bei 100% war und eine nicht ganz einfache Vorbereitung hinter ihr lag. Deswegen war ich beinahe nervöser vor ihrem Start als vor dem Eigenen. Ich nehme es vorneweg: Der Plan ging bis zur dritten Rennstunde auf, dann machte der Körper komplett dicht. Eine harte, aber sehr weise Entscheidung aus dem Rennen auszusteigen. Kopf hoch Melanie! Du hast aus diesem Tag das Maximum herausgeholt und ein grosses Kämpferherz bewiesen!
Gute Laune vor dem Start: Mit Nationalcoach Cameron Lamont und dem späteren Bronzemedaille-Gewinner Jens Gossauer geht es in Richtung Start.
1. Lauf, 10.6km, ~170Hm
Um kurz vor 9 Uhr machte sich das Elite-Feld der Herren hinter der Startlinie bereit. Aufgrund des World Rankings trug ich mit der 4 eine tiefe Startnummer und stand in der ersten Startreihe ein. Mein Rennplan war heute denkbar einfach: drauflos racen und weder Tempo noch Leistungswerten eine allzu grosse Bedeutung geben. Entgegen dem Kommentar im Livestream, welcher immer von einem zwingend defensiven 1. Lauf spricht, kannst du es dir gar nicht leisten «sparsam» zu laufen. Im Gegenteil: Es ist sogar zwingend das Tempo mitzugehen, da später eine gute Velogruppe das «Überleben» sichert. Ist das nicht der Fall wirst du auf den knapp 150 Radkilometern alleine extrem viele Körner liegen lassen.
Das Tempo war zu Beginn gut kontrollierbar. Generell zeigte mir der 1. Lauf, dass der Grundspeed sehr gut ist.
Die ersten Meter erscheinen mir auf der Langdistanz jeweils als sehr unwirklich – es gilt tatsächlich den Kopf etwas auszuschalten und den Fokus nur auf das Hier und Jetzt zu legen. Ich merkte sehr schnell, dass meine Laufform wirklich gut ist und übernahm im ersten Aufstieg in Richtung Heiteren kurzerhand die Führung. Einzig die Abgase hinter dem Führungsmotorrad waren etwas unangenehm, ansonsten fühlte ich mich grossartig. Ein paar Athleten mussten bereits abreissen lassen, die grosse Zäsur gab es jedoch erst in der zweiten Runde. Ich musste eine 3er-Gruppe mit dem Schweizer Jens Gossauer ziehen lassen, führte dafür die zweite Gruppe relativ locker an. Eine Eigenart der Strecke in Zofingen ist die selektive Routenführung. Vor allem das Herunterlaufen braucht eine enorm hohe Konzentration und «zerschlägt» einem neuromuskulär die Beine richtiggehend. Als 5. lief ich in die Wechselzone rein und kam als 3. auf das Bike. Dann ging die Post ein erstes Mal so richtig ab!
Im ersten Aufstieg versuchte ich von der Spitze her etwas Tempo zu machen. So führte ich zumindest einen kurzen Moment das WM-Rennen an.
Bike, 146km, ~1700Hm
Im Gegensatz zu den eher ruhig gefahrenen Mittel- und Langdistanzen im Triathlon, erlebe ich Zofingen immer wieder als reinen Schlagabtausch. Vor allem auf den ersten 50km ist es ein Formieren der Gruppen, was die Sache jeweils sehr hart macht. Der gleich nach dem Wechsel beginnende Aufstieg nach Mühlethal fuhren wir rund 30 Sekunden hinter dem Führungsduo liegend als 6er-Gruppe hoch. Diese beschleunigten jedoch, als sie uns bemerkten, so dass wir bis zum Kulminationspunkt nicht mehr herankamen. Nach der rasanten Abfahrt ging es dann auf dem langen Flachstück ähnlich hart weiter. Mit einer Durchschnittsleistung von 330 Watt und einem Stundenmittel von weit über 40km/h kämpfte sich unsere Gruppe langsam an Gossauer und den Franzosen Hermand-Blondel heran. Mitten in dieser durchaus entscheidenden Phase, kam es auf der Kantonsstrasse nach Schöftland zu einer relativ heiklen Situation. Ein Autofahrer reihte sich völlig unnötig mitten in der gesamten Spitzengruppe ein. Gleichzeitig überholten wir nun erste Age-Group-Athleten was die Hektik zusätzlich erhöhte. Während der vor mir fahrende Daan de Groot die Lücke vor dem Auto und einem Age-Group-Athlet gerade noch erwischte, musste ich kurzerhand auf die Bremse gehen. Ich gab dem Auto Handzeichen, dass er ein bisschen weiter links fahren möge. Als ich dann durch die Lücke hindurchschlüpfte, die Autohupe ertönte und ich den ausgetreckten Mittelfinger erhielt, sah ich kurzerhand rot und gab ihm deutlich zu verstehen, was ich davon hielt. Generell sorgte das Verhalten von gewissen Autofahrern auf der Bike- und Laufstrecke auch bei anderen Athleten ziemlich für Gesprächsstoff. Klar, es sind öffentliche Strassen, wo Rücksicht geboten ist. Wenn aber mehrere Athleten in Rennmontur, begleitet von Referees und Kameramotorräder, unterwegs sind und man sich offensichtlich inmitten eines Rennens (notabene einer Weltmeisterschaft) befindet, habe ich null Verständnis, wenn man nicht einfach 10 Sekunden zurückzieht und warten kann.
In die Veloschuhe rein und ab auf die 150km. Im Gegensatz zu den letzten Jahren blieb der Einbruch zum Glück aus.
Wie dem auch sei: Ich konnte die Lücke schliessen, brauchte aber ein paar Minuten, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Bei der kurz darauffolgenden Tempoverschärfung des Deutschen Fabian Holbach kam es dann zu einer Aufteilung der neun Mann grossen Spitzengruppe. Ich konnte das Tempo nicht mitgehen und musste mich kurz sogar ranhalten, um im Aufstieg zum Wiliberg in der zweiten Gruppe zu bleiben. Dann endlich beruhigte sich das Renngeschehen und wir bildeten mit Fabian Zehnder, Daan de Groot, Seppe Odeyn und Baptiste Domanico eine gute 5er-Gruppe. Die meiste Zeite leistete Zehnder die Führungsarbeit, während ich mich so gut es ging auch versuchte daran zu beteiligen. So ging es bis Eingang in die letzte Radrunde. In den vergangenen Jahren hat es mir nach 90km regelmässig den Stecker gezogen – zum Glück nicht so heute. Zwar verlor ich rund 30km vor dem Wechsel den Kontakt zur Gruppe, der Rückstand auf Rang 3 lag aber bei rund 4 Minuten, wie ich durch die Supporter erfuhr. Es gab trotzdem das eine oder andere Tief und der Körper gab mir nun deutliche «Müdigkeitssignale». Immer mal wieder riskierte ich einen Blick nach hinten, jedoch sah ich weit und breit niemanden. Ohne grossen Einbruch, dafür mit etwas mehr Kontrolle, zog ich nun allein durch und erzielte schlussendlich mit 3:54 Stunden eine für meine Verhältnisse sehr gute Radzeit.
Es gab erneut einige Tiefs auf der 3. Radrunde. Dank ein paar mentalen Kniffen konnte ich diese jedoch überwinden.
2. Lauf, 25.8km, ~400Hm
Vor dem Rennen verspürte ich richtiggehend Vorfreude auf den 2. Lauf – das nun vorhandene Gefühl in den Beinen dämpfte diese jedoch etwas. Obwohl ich mich im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich besser fühlte, waren die Beine nicht so frisch wie erhofft. Auf Rang 9 liegend war ich nun fest entschlossen die Top10 zu verteidigen. Mit 3 Minuten Rückstand auf Zehnder und ca. dem gleichen Vorsprung auf Benjamin Ueltschi nahm ich die 26km in Angriff. Ich pendelte mich bei einem soliden Tempo ein, trotzdem fühlten sich die Beine bleischwer an. Es war jedoch wunderschön, viele bekannte Gesichter entlang der Strecke zu sehen und von Beginn weg den riesigen Support zu spüren.
Leider fand ich auf dem 2. Lauf nie wirklich in einen guten Rhythmus. Die Beine machten vor allem in den Abwärtspassagen total zu.
Was mir vor allem Sorgen machte, war das Runterlaufen. Ich hatte in den Oberschenkeln ziemlich heftige Schmerzen, welche ein rundes Laufen verhinderten. Deswegen musste ich defensiver laufen als mir lieb war. Nicht ganz überraschend tauchte nach knapp zwei Runden Ueltschi hinter mir auf und lief in der Abwärtspassage gleich an mir vorbei. Nun lag ich also auf Rang 10. Nadia informierte mich, dass der Italiener Marco Corti rund 5min hinter mir lag und tendenziell an Boden gutmachte. Der Druck, diesen 10. Rang zu halten stieg nun von Kilometer zu Kilometer an. Am Ende der zweiten Laufrunde sah ich Cameron wild gestikulierend bei der Coachingzone stehen. Er rief mir zu, dass ich eine Zeitstrafe bekommen hätte und diese sofort absitzen müsse.
So stand ich ein paar Sekunden später bei einem Schiedsrichter in der Penaltybox, sass die 1’-lange Zeitstrafe ab und verstand zuerst die Welt nicht mehr. Tatsächlich hatte ich mein zweites Paar Laufschuhe vom 1. Lauf nicht zurück in die Materialbox verstaut, was eben diese sich endlos dahinziehende Strafe mit sich brachte. Beim Warten kam ich zeitweise etwas ins Wanken, so erschöpft war ich. Die Vorstellung auf die zwei verbleibenden Runden, machten den Zustand definitiv nicht besser. Auch dank den motivierenden Worten von Cameron lief ich wieder los – die Nerven lagen jedoch blank. Beim Vorbeilaufen bei meinen Supportern schrie ich sie richtiggehend an, weil ich die Abstände nach hinten wissen wollte. Innerlich sah ich mich bereits wieder ausserhalb der Top10 einlaufen. Ich besann mich wieder zur Ruhe, verpflegte mich weiter und wurde etwas ruhiger als ich eingangs in die letzte Runde die Info erhielt, dass Corti immer noch 3min zurück liegt. Wenn ich also nicht einen Kapitaleinbruch erleiden sollte, würde es definitiv reichen.
Danke für die Unterstützung am Streckenrand! Gut 2km vor dem Ziel waren mir die Top10 sicher.
Ein letztes Mal hinauf in den Wald quälen, ein letztes Mal die Tortur des Abwärtslaufens, dann war ich endlich auf dem letzten flachen Kilometer. Die Oberschenkel fühlten sich zwar an wie Beton aber ich wusste nun, dass ich definitiv save war. Mit ein paar Gesten des Dankes an die Supporter lief ich nach 6:26:26 Stunden ins Ziel ein. Auf der leicht längeren Strecke und trotz einer Zeitstrafe war ich 15min schneller als im Vorjahr und endlich wieder in den Top10.
Fazit
Ganz nüchtern betrachtet, war ich «nur» der Viertbeste Schweizer bei der Elite. Schaue ich aber mein eigenes Rennen, meine Werte, den Rückstand auf die Top3 und vor allem meinen Weg hierhin an, darf ich mit gutem Gewissen sagen, dass dies mein stärkstes Rennen in Zofingen war. Insofern bin ich sehr zufrieden mit dem Gesamtergebnis und dankbar, dass ich die Strecke in Zofingen zum ersten Mal etwas bändigen konnte.
Es ist mir ganz wichtig an dieser Stelle folgenden Personen zu danken:
Tinu Aebi und Töbu Blaser von Trophy Bike: Ihr habt mir auch in diesem Jahr extrem geholfen, das Beste aus dem Material herauszuholen!
Phippu Schmutz von Barter Beer: Die beste und unkomplizierteste Unterstützung in Sachen alkoholfreiem Bier!
Mario Schmidt-Wendling von sisu-training: Wenn ein Trainer von einem anderen Trainer trainiert wird 😉 Mir ist eine externe, unvoreingenommen und kompetente Trainingsplanung sehr wichtig!
Jamais sans toi! Meiner Frau Nadia gebührt den grössten Dank!
Bilder: www.alphafoto.com, www.powerman.swiss, Kim Huber
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wie du diese angehen sollst?