Erste Wettkämpfe und Gespräche mit dem Körper

Erste Wettkämpfe und Gespräche mit dem Körper

Es liegen trainingsintensive Monate, erfolgreiche Leistungsdiagnostiken und zwei langersehnte Kämpfe gegen die Uhr hinter meinen Athleten und mir.
Was können wir aus den ersten beiden Rennen mitnehmen und was hat ein Wettkampf mit einem „Gespräch mit dem eigenen Körper“ zu tun?

Grand Prix de l‘aéroport

Nachdem auch im April die meisten Laufveranstaltungen gestrichen wurden, organisierte ich kurzerhand für meine am Grand Prix Dübendorf gemeldeten Athleten einen 10km-Testlauf. Die Gründe dafür waren vielschichtig: durchbrechen des Trainingsalltages, durchführen einer Standortbestimmung oder den sozialen Austausch fördern.

Auf einer genau vermessenen Strecke im Belpmoos fand dann am 11. April der kurzerhand „Grand Prix de l’aéroport» benannte 10km-Lauf statt. Jeder der anwesenden Athleten hatte einen genauen Rennplan und war sich bewusst, dass die bevorstehenden 10km mehr einem „Zeitfahren“ gegen sich selber gleichen, als einer klassischen Laufveranstaltung. Die Windverhältnisse machten die Sache recht anspruchsvoll, sprich der gesamte Parcours enthielt etwa 50% Windunterstützung und 50% Gegenwind, was das Pacing doch recht anspruchsvoll gestaltete.

Das Pacing ging hervorragend auf – weh tat es trotzdem…

Ich lief mit dem klaren Ziel los, die 5km-Marke bei rund 16:30min zu passieren, um dann eine Endzeit von 33:20 zu unterbieten. Tatsächlich ging der Rennplan sensationell gut auf und ich konnte mit einer Zeit von 33:07 beinahe noch ein 32er-Resultat heimlaufen.

Das Highlight jedoch war ganz klar die super Leistungen und der geniale Einsatz meiner Trainingsgruppe: alle konnten ein tolles Resultate herauslaufen und sich selber die Bestätigung liefern, dass sich ihr Einsatz über die Wintermonate gelohnt hatte. Ein grosses Kompliment dafür!

Eine Handvoll meiner Athleten nahmen am «Grand Prix de l’aéroport» teil:
Tobias Kilchenmann, der Coach 😉 , Elita Amato, Maurizio Calarese und Markus Huber

BOE-Zeitfahren in Krauchthal

Da der erste Duathlon voraussichtlich erst im Juni stattfinden wird, suchte ich nach alternativen Wettkampfmöglichkeiten. Fündig wurde ich in Form von Zeitfahr-Wettkämpfen. Insofern bot das BOE-Zeitfahren in Krauchthal meinen Tri- und Duathleten eine hervorragende Möglichkeit um nach der Lauf- auch die Radform zu testen. Nach der sehr arbeitsintensiven Woche, in welcher ich noch zwei Belastungseinheiten setzte, war ich entsprechend gespannt, was mein Körper heute hergeben würde.

Aus mir unerklärlichen Gründen verpasste ich beinahe meine Startzeit und schaffte es 20 Sekunden vor dem Start gerade noch rechtzeitig mir den Helm aufzusetzen, die Maske wegzunehmen und mich mit beschlagenem Visier in Richtung Oberburg auf die Strecke zu stürzen.

Es war Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Coach und Athlet…

Ich fand schnell einen guten Rhythmus, fluchte dann aber innerlich ein paar Mal als ich feststellte, dass sich der grösste Gang plötzlich nicht mehr einlegen liess. Obwohl ich in dieser kurzen Abwärtspassage wahrscheinlich ein paar Sekunden auf der Strecke liess , konnte ich bald zum vor mir gestarteten Fahrer aufschliessen und wurde nach rund 13 Minuten von meiner Frau in die 7km lange Steigung hineingeschrien. Hier musste ich den Rhythmus total umstellen und mich dennoch versuchen in der Aeroposition zu halten. Langsam aber sicher machten sich die Beine immer wie stärker bemerkbar, was zu einem fortlaufenden inneren Gespräch zwischen Kopf und Körper führte: Wie viel kann ich an Energie hineinwerfen ohne, dass ich mich gegen die Wand fahre?

Trotzdem konnte ich das angeschlagene Pacing halten und mich auch noch die Schlusssteigung zum Ziel hinaufquälen. Was die Endzeit von 28:16 zu dem Zeitpunkt wert waren, konnte ich noch nicht sagen, die Durchschnittsleistung von 360 Watt liess darauf schliessen, dass ich wahrscheinlich gut aber nicht überragend gefahren bin.

Markus Huber und Fernando Holzinger auf dem Weg zum 4. Rang und 7.Rang in ihrer Alterskategorie.

In der Endabrechnung konnte ich in meiner Kategorie den 2. Rang einfahren, direkt vor meinem Athleten Tobias Kilchenmann der ein sackstarkes Rennen absolvierte und dem Coach ziemlich einheizte.

Auch die anderen Jungs, Markus Huber und Fernando Holzinger zeigten starke Auftritte und klassierten sich in ihrer Kategorie auf dem 4. Rang bzw. 7. Rang. Well done!!

Gerade weil wir nur halbe Radsportler sind und uns entsprechend Velostunden fehlen, freuen mich die erzielten Resultate umso mehr und stimmen mich für die noch junge Saison entsprechend zuversichtlich.

Und das Wichtigste: Wir hatten endlich wieder Wettkampffeeling!

Was können wir aus den ersten Wettkämpfen lernen?

Die vergangenen, trainingsintensiven Wochen und die zwei oben genannten Wettkämpfe führten mich zu einer entsprechenden Frage: Was passiert, wenn man einem ambitionierten Athleten seine Uhr oder seinen Velocomputer wegnimmt? In den meisten Fällen wäre man als Trainer wahrscheinlich dem Protest ausgesetzt, dass man so gar nicht laufen oder radfahren könne, weil man seine Leistungsdaten nicht im Blick hat. Oder noch schlimmer: Was nicht auf Strava landet hat nicht stattgefunden!

Immer wieder erlebe ich es in der Zusammenarbeit mit Athleten, dass in der ganzen Datenflut von Watt, Geschwindigkeit, Herzfrequenz, Pedalumdrehungen oder Trainingszonen das eigene Gefühl etwas verloren geht.

Viele äussere Einflüsse (Essen, Schlaf, Stress usw.) wirken direkt auf unsere Leistungsfähigkeit und die Tagesform ein. Insofern lässt sich Trainings und Wettkämpfe nicht zu jedem Zeitpunkt mit objektiven Daten steuern.

Das Gespräch mit dem Körper

Während Wettkämpfen, so auch während des besagten 10km-Laufes oder dem Zeitfahren begebe ich mich auf eine Reise. In dem Moment verbinde ich mich mit meinem Körper und versuche genau hinzuhören, was er mir für ein Feedback gibt. Wo pushe ich und wo nehme ich bewusst etwas Tempo raus? Dabei beziehe ich auch die äusseren Einflüsse wie beispielsweise den Wind mit ein.

Beispiel 1 Während des Testlaufs war ich teilweise ziemlich starkem Gegenwind ausgesetzt, was die angestrebte Pace zusammenfallen liess. Wäre ich dort auf biegen und brechen nach meiner Uhr gelaufen, wäre der Tank 2km vor dem Ziel leer und eine solche Endzeit nicht möglich gewesen.

Beispiel 2 Während dem Zeitfahren merkte ich, dass ich die angestrebte Durchschnittsleistung nicht ganz halten konnte, also nutzte ich gewisse abschüssige Passagen um kurz etwas an Power rauszunehmen.

Die optimale Racepace ist immer die Balance zwischen Objektivität (theoretische Leistungswerte) und Subjektivität (aktuelle Tagesform, Körpergefühl).

Mit der Borg-Skala bediene ich mich eines sehr einfachen aber aus Trainerperspektive wichtigen Hilfsmittels. Dieser sogenannte RPE-Wert (rate of perceived exertion = wahrgenommene Anstrengung) wiederspiegelt das subjektive Gefühl eines gesunden Athleten. Und genau diese Skala nutze ich auch für mich selber als Mittel zur Trainings- und Wettkampfsteuerung in dem ich mir immer die Frage nach dem aktuellen Anstrengungsgrad stelle.

Deckt also insofern eure Uhr oder euren Radcomputer zwischendurch ab und versucht ein Training mal nur nach Gefühl zu fahren – es lohnt sich!

Die Borg-Skala ist aus meiner Sicht eines der besten und einfachsten Mittel zur Überprüfung der aktuell empfundenen Intensität.

Quellen:

https://www.germanjournalsportsmedicine.com/fileadmin/content/archiv2004/heft11/299-300.pdf 

https://www.aerzteblatt.de/archiv/41326/Anstrengungsempfinden-und-koerperliche-Aktivitaet

Jost Hegner, Training fundiert erklärt, 2020