Ironman 70.3 Westfriesland

Ironman 70.3 Westfriesland

Vom Powerman zum Ironman

Mein Ironman-Debut war eines der grösseren Projekte in diesem Jahr. Insofern hatte ich mir den
25. Juni 2023 dick in meiner Agenda angestrichen. Nachdem ich Ende Oktober des letzten Jahres mühsam mit dem Schwimmtraining begonnen habe, sollte nun also für einen Duathleten der Start über eine Triathlon-Mitteldistanz erfolgen. Da die Duathlon-Powerman-Serie in Europa leider nur noch sehr wenige Rennen hat, brauchte es eine entsprechende Alternative um die Duathlon-WM vorzubereiten. Wenn du nicht nur trainieren sondern auch wettkampfmässige Einsätze von ähnlicher Dauer verzeichnen willst, kommt man hier zwangsläufig nicht um den Triathlon herum.

Eine wunderschöne Kulisse macht

 den IM 70.3 Westfriesland sehr attraktiv.

© sportograf

Weshalb ich gerade den Start in Nordholland ins Auge fasste, hatte zwei Gründe: zum einen wollte ich an meinen Problemen auf flachen Radstrecken arbeiten, zum anderen konnte ich den Event mit zwei meiner Athleten antreten, bei welchen der Wettkampf ebenfalls ideal in die Jahresplanung passte. So starteten wir als kleines Dreierteam die Reise nach Hoorn.

Ich erhoffte mir ein schnelles Rennen auf einer flachen und windexponierten Strecke. Wie sich die Renndynamik entwickeln würde, konnte ich nur erahnen. In jedem Fall aber würde es wohl zu keinem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen aufgrund des Rolling-Starts beim Schwimmen. Das eröffnete aber die Möglichkeit, den Fokus auf das eigene Pacing zu legen. Beim Schwimmen den Schaden limitieren und danach versuchen so weit nach vorne zu fahren wie nur möglich, so lautete zumindest mein Plan.

Das kurze Schwimmen, die Radeinheit sowie das Check-In am Samstag verliefen sehr unaufgeregt und innerlich standen sämtliche Vorzeichen auf Grün.

Das kurze Schwimmen mit Markus und Roger im Hafenbecken von Hoorn.

Swim, 1.9km

Nachdem wir uns am Samstag mit dem Wasser der Nordsee vertraut machten, fühlte ich mich gut auf meine Wackeldisziplin, das Schwimmen, vorbereitet. Man sah in dem trüben Wasser zwar keine 20cm weit, trotzdem fühlte ich mich ziemlich wohl in dem welligen Gewässer.

Was mir etwas Stirnrunzeln verursachte, waren die gemeldeten Temperaturen, welche gemäss Wetterbericht die 30 Grad knacken sollten. Ich erinnerte mich an die Hitzeschlacht im letzten Jahr beim Powerman Embrun, welche mich beinahe in die Knie zwang. Aber eben, immerhin konnte man sich bei einem Triathlon zu Beginn des Rennens ja im Wasser etwas vorkühlen. Es hat eben alles seine Vor- und Nachteile.

Der Start am Sonntagmorgen war um 7 Uhr angesetzt, was eine Tagwache von 4 Uhr bedeutete. Mit den Klappbikes fuhren wir die kurze Strecke zum Hafengelände, wo bereits ein riesengrosser Trubel im Gange war. Ein letzter Check des Bikes und der Wechselbeutel bevor es daran ging, sich in den Neoprenanzug hineinzuzwängen. Leider wurde beim Start keine Zeitblöcke angeschrieben, weshalb ich mehr nach Gefühl einstand.

Nachdem auch um 7:15 Uhr der Start immer noch nicht erfolgt war, öffnete ich den Neopren-Anzug nochmals kurz, da die Temperaturen bereits deutlich anstiegen. Es gab irgendein Problem mit dem Ausstieg, weshalb sich der Start schlussendlich um eine halbe Stunde verzögerte. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich plötzlich sogar auf das Schwimmen freuen würde…

Wie immer, beanspruchte das Anziehen vom Neoprenazug einige Zeit…

Plötzlich ging es dann sehr schnell: Einreihen, runterzählen und auf ging es, in das Rennen, um welches meine Gedanken in den letzten Tagen so oft kreisten.

Ich schwamm sehr kontrolliert an und versuchte, trotz des leichten Wellengangs einen guten Rhythmus zu finden. Gefühlsmässig gelang das Anschwimmen der Bojen sehr gut und ich verlor keine allzu grosse Zeit mit Umwegen. Bei den Kehren um die Bojen selbst wurde es dann jeweils etwas hektisch und ich kassierte den einen oder anderen Schlag. Ansonsten hielt ich mich aus dem Getümmel raus. Der Blick auf die Uhr beim Ausstieg verriet mir, dass ich das Ziel einer Sub30-Zeit tatsächlich erreichte. Mit 29:47min gelang mir der Einstieg nach Mass.

Obwohl das Schwimmen sicher nicht meine Paradedisziplin darstellt, wurde es an diesem Tag zu einem stillen Highlight für mich. Trotz des leichten Wellengangs gelang mir eine Zeit unter 30min.

© sportograf

Bike, 90km

Ziemlich unaufgeregt gelang ein solider Wechsel. Beim Aufstieg auf das Bike bekam ich den Rückstand in meiner Altersklasse zugerufen, welcher zu diesem Zeitpunkt 5 Minuten betrug. Das war natürlich eine ziemliche Packung aber dennoch so budgetiert. Die Aufholjagd konnte nun also beginnen. Tatsächlich pendelte ich mich bei 290Watt ein und kassierte einen Athleten und eine Gruppe nach der anderen. Leider gab es zu keinem Zeitpunkt irgendeine Kollaboration, weshalb ich die gesamten 90km allein durchfahren musste. Die langen Geraden wurden immer wieder durch 90Grad-Kurven und teils nicht so genaue Richtungsangaben der Streckenposten unterbrochen.
Fun Fact: Dem Meer entlang musste man teilweise aufpassen, dass man sich in den riesigen Schwärmen von Mücken nicht verschluckte. Teilweise war echt nur ein Blick nach unten möglich.

Blick nach unten und während 90km alleine durch die westfriesische Prärie drücken. Leider fehlte mir der Mut um die Pace bis ganz hinten durchzuziehen. 

© sportograf

Bis km70 war ich genau im Soll unterwegs, agierte jedoch auf den letzten Kilometern zu passiv, auch aus Respekt vor dem bevorstehenden Halbmarathon. In den kurvenreichen Abschnitten auf den Trottoirs, durch Fussgängerunterführungen und über Pflastersteine liess ich schlichtweg zu viel an Zeit liegen. Schade, denn hier vergab ich sicher einen besseren Radsplit. Mit einer 2:13 auf die 90km lag ich trotzdem noch einigermassen auf Kurs, denn auch die Verpflegung funktionierte einwandfrei. Das Einzige, was mir etwas Sorgen machte, war die zunehmend spürbare Hitze, welche nun drückend schwer über der Küste lag.

Aus dem Wasser kam ich auf overall auf Rang 106. Auf dem Bike konnte ich mich bis in die Top30 vorarbeiten.

© sportograf

Run, 21.1km

Warum es gerade heute der erste holländische Hitzetag des Sommers werden musste? Wie dem auch sei: Ich wollte weiter kontrolliert nach vorne laufen. Unterdessen lag ich in meiner AK auf Rang 3 und der Rückstand gegen vorne schmolz mit jedem Kilometer leicht zusammen. Leider schmolz auch mein Tempo unter der westfriesischen Sonne. Den angestrebten Schnitt von 3:40min/km beerdigte ich aufgrund der Hitze sehr schnell und passierte die 10km immerhin noch mit einer 39:20.

Bis km10 konnte ich noch mit einer 3:55min/km laufen. Danach «kochte» es mich richtiggehend. Selten hatte ich solche Temperaturen erlebt.

© sportograf

Spätestens da war ich jedoch im totalen Überlebensmodus angelangt. Ich versuchte nur noch zu kühlen und irgendwie die Kohlenhydrate in mich hineinzubekommen. Es war deutlich zu merken, dass der limitierende Faktor heute nicht die Energiezufuhr, sondern schlichtweg die mörderischen Temperaturen war. Während in der Stadt selbst eine großartige Stimmung herrschte, waren die exponierten Kilometer eine Tortur sondergleichen. Immer mehr Athleten begannen zu laufen, übergaben sich und auch die Ambulanz war plötzlich zur Stelle – Ironman-Alltag halt eben.
Glücklicherweise standen nebst den Verpflegungsposten auch Anwohner mit Wasserschläuchen zur Stelle und trugen so einen wichtigen Teil zur Kühlung bei. Die teils halbgefüllten Becher bei den Verpflegungsposten hätten nicht gereicht.

Man kann es hier vielleicht etwas erahnen. Das Laufen auf dem Damm wurde zu einer Tortur sondergleichen.

© sportograf

Was die Angelegenheit jedoch noch zusätzlich unglaublich mühsam machte, war die völlig überfüllte Strecke, auf welcher ein Überholen teils nur schwer möglich war. So musste ich immer wieder abbremsen oder über Rasenflächen ausweichen. Es gab in dieser Phase also ein paar mentale Hürden zu überwinden. War ich doch mit der festen Absicht hierhergekommen, einen Halbmarathon unter den 1:20 Std. zu laufen, musste ich mir eingestehen, dass dies hier und jetzt nicht möglich war.

Beim Überqueren der Ziellinie wurde mir dann ab der Hitze beinahe schwarz vor Augen. Irgendjemand wollte mir eine Finishermedaille überreichen – eine Wasserflasche wäre mir jedoch lieber gewesen. Völlig entkräftet sank ich zu Boden und blieb sicher eine halbe Stunde liegen. Gefühlt schrammte ich knapp an einer Ohnmacht vorbei.

WM-Slot

So langsam kehrten die Lebensgeister zurück und mit diesen auch die Erkenntnis, dass das Rennen schlussendlich nicht ganz so verlaufen war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Eben, Trainingswerte sind das Eine, diese umzusetzen dann das Andere.
Mit einer 4:16 darf ich jedoch für mein IM-Halbdistanz-Debut sicher zufrieden sein. Zudem holte ich mir als Dritter meiner Age Group tatsächlich den Slot für die 70.3-Weltmeisterschaft, welchen ich jedoch aufgrund der Duathlon-Weltmeisterschaften nicht annehme.

Meine beiden ebenfalls gestarteten Athleten zogen ihr Ding souverän durch. Markus Huber lief in der AK60 auf dem 2. Platz mit einer Zeit von 4:45 Std. ein. Dass man mit dieser sensationellen Zeit in der AK60 nicht gewinnt, grenzt beinahe an ein Wunder.
Roger Küffer finishte souverän und dank einer grandiosen Willensleistung in der AK45 mit 5:18 Std. auf Rang 44. So kaputt ich mich fühlte, so stolz war ich gleichzeitig auf die beiden!

Was bleibt? Wichtige weitere Erfahrungen in Sachen Hitze, dass Aufgeben fast nie eine Option ist und Momente, welche man nicht beschreiben, sondern erleben muss. 

Hast du eine sportliche Vision, welche du verfolgen möchtest, bist dir aber nicht sicher,
wie du diese angehen sollst?