Ist eine Offseason notwendig?

Ist eine Offseason notwendig?

Nach Zofingen ist vor Zofingen

Zugegeben: Ich war nach der WM in Zofingen etwas zwiegespalten. Es gab im Rennen zeitweise sehr gute Phasen und Ansätze, während auf der anderen Seite mein Körper irgendwann dicht machte. Nach eingehender Analyse konnten wir die Frage nach dem «Warum» jedoch mehrheitlich beantworten und damit auch die Hausaufgaben für 2023 festlegen. Zofingen bleibt das Rennen schlechthin – auch im kommenden Jahr.

Der Weg dorthin wird aber in den nächsten 10 Monaten ein etwas anderer sein. Fortsetzung folgt…

Der lang ersehnte Zieleinlauf. Trotzdem war ich nicht vollends zufrieden mit dem Gezeigten.

Offseason als Fluch und Segen

Viele Sportler/innen haben mit der Offseason Mühe. Plötzlich fehlt das geregelte Training sowie die Zielsetzung, was durchaus auch mental zu einer gewissen Leere führen kann.

Zudem definiert man sich verständlicherweise in einem kompetitiven, sportlichen Umfeld auch über die Leistung. Das Bewusstsein und das Realisieren, dass die eigene Leistungsfähigkeit sinkt, macht nach meiner Erfahrung ebenfalls oft Mühe. Zumal auch die Studienlage eindeutig ist. Mujiika et al. (2000) untersuchte die physiologischen Effekte nach einer 4-wöchigen Phase mit tieferen bzw. weniger Trainingsreizen:

  • Sehr rasch wird die VO2max (Maximale Sauerstoffaufnahme = der wesentliche Ausdauerparameter) sinken, wobei dieser Effekt auf eine Reduktion des Gesamtblut- und Plasmavolumens zurückzuführen ist. Zu beobachten ist dabei auch ein Anstieg der Herzfrequenz, durch welche versucht wird, das verringerte Schlagvolumen auszugleichen.
  • Im Umkehrschluss ist ein Mehrbedarf an Kohlenhydraten zu beobachten, während sich der Fettmetabolismus senkt. Die dadurch steigenden Laktatwerte, bei gleicher Leistung, haben schlussendlich eine verminderte anaerobe Schwelle zur Folge.
  • Auf muskulärer Ebene ist ein Rückgang der Kapillardichte und eine verringerte mitochondriale Energieproduktion (was den Mehrbedarf an Kohlenhydraten erklärt) zu erkennen. Weiter nimmt auch die sportartspezifische Kraft ab.
  • Zu guter Letzt ist bei ausdauertrainierten Athlet/innen eine Verringerung der Insulinsensitivität zu beobachten. Das bedeutet, dass der Blutzucker etwas schlechter reguliert werden kann.

Jetzt könnte man sagen, dass all diese negativen physiologischen Anpassungen extrem demotivierend sein können und eine Reduktion des Trainings, geschweige denn eine Trainingspause einzulegen, sehr schwierig machen. 

Wenn wir ehrlich sind wird es der Kopf einem jedoch danken. Deswegen propagiere ich ganz klar den Mut zu einer Saisonpause, in welcher Bewegung absolut seine Berechtigung hat, jedoch kein geregeltes Training. Man muss und darf nicht die Erwartung haben, das ganze Jahr über in Höchstform zu sein, sondern ganz gezielt an den wichtigen Wettkämpfen.

Reisen und den Kopf leeren. Die Offseason bietet sich dafür an.

Kadertests von swissduathlon

Gerade im Wissen darum, dass der Körper nach der WM a) eine Pause braucht und b) die Leistungsfähigkeit nach und nach zurückgehen wird, wollte ich die Restform nutzen, um die Kadertests von swissduathlon noch im September zu absolvieren.

Während ich auf dem Bike gute Werte erzielen konnte, setzte mich der 5km-Test etwas mehr unter Druck. Beziehungsweise wollte ich den immer im Hinterkopf sitzenden Druck loswerden und entschied mich auf unserer Ferientour an die Ostsee ultraspontan an einem 5km-Lauf in der Nähe von Frankfurt teilzunehmen. Zwei Tage vorher meldete ich mich an und so setzten wir beim Vorbeifahren den Blinker um beim Rodheimer Volkslauf ein letztes Mal für diese Saison die Laufschuhe zu schnüren. Eigentlich hätte mich der gleichzeitig ausgetragene Halbmarathon mehr gereizt – aber eben, es musste nun ein schneller 5km her. Auch hier fand ich wieder einen super organisierten Anlass vor, mit leider eher kleinen Teilnehmerfeldern. 

So kam es dann auch, dass ich ein einsames Rennen an der Spitze lief und einzig mit dem Velobegleiter unterwegs war. Die schnurgeraden Strassen und Wege wurden etwas zur Kopfsache.

Nachdem ich auf dem letzten, leicht ansteigenden Kilometer meinem Begleiter auf dem Feldweg ein paar Mal ausweichen musste, lief ich schliesslich in neuer persönlicher Bestzeit von 15:30min über die Ziellinie. Auftrag erfüllt!

Mit 15:30min über 5km am Rodheimer Volkslauf ging die sehr lange Saison nun definitiv zu Ende.

Offseason = Genussseason?

Um auf die Frage des Artikels zurückzukommen: Ich glaube nicht, dass eine Offseason für alle gleich notwendig ist. Stellt euch selber die Frage nach eurem Saisonhöhepunkt: Wie fühlt ihr euch mental? Seid ihr leer oder brennt ihr bereits auf den nächsten Wettkampf? Habt ihr weiterhin Spass an geregeltem Training oder eher an Bewegung nach Lust und Laune?

Den dadurch erzeugten Formverlust lässt sich (zumindest bei Nicht-Profis) problemlos kompensieren, sofern aus 4 Wochen Pause nicht 3 Monate werden. Zudem darf die Offseason aus meiner Sicht nicht gleichgesetzt werden mit «jetzt gönne ich mir endlich …». Ich bin der Meinung, dass der Genussfaktor auch in der Saison seine Daseinsberechtigung hat und mental zu einer potenziell besseren Verfassung führt, als wenn ich mir alles und jedes verbiete. Es geht dabei selbstverständlich nicht um unvernünftige Dinge in der unmittelbaren Zeit vor dem Saisonhöhepunkt. Aber wenn der Genuss zwischendurch auch mal ein gutes Glas Wein oder ein etwas üppigeres Dessert ist, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen.

Start ins Wintertraining

Die Jahreszeit mit den kürzeren und kälteren Tagen ist mittlerweile sehr nahe. Bevor man sich nun wieder in den Trainingsprozess stürzt, lohnt es sich Gedanken über die eigene Vision zu machen, sich klare Ziele zu setzen, die eigenen Stärken und Schwächen zu analysieren und damit eine optimale Ausrichtung des Trainings zu garantieren. Macht euch zudem Gedanken zur Energieaufnahme sowie zur Stärkung von eurem Immunsystem.

Quellen

Mujika I, Padilla S. Detraining: loss of training-induced physiological and performance adaptations. Part I: short term insufficient training stimulus. Sports Med. 2000 Aug;30(2):79-87. doi: 10.2165/00007256-200030020-00002. PMID: 10966148.

Hast du eine sportliche Vision, welche du verfolgen möchtest, bist dir aber nicht sicher,
wie du diese angehen sollst?