Nach welcher Metrik soll ich trainieren?

Für Athleten stellt sich oft die Frage nach welcher Metrik sie trainieren sollen. Ist der Puls entscheidend, das Tempo oder doch das subjektive Gefühl?

Um die Frage zu beantworten, muss man sich zuerst einmal vor Augen führen, dass ein Training einen gewissen physiologischen Reiz auslösen soll. Damit der richtige Reiz gesetzt werden kann, muss in der richtigen Intensität trainiert werden. Im Optimalfall werden die dazu notwendigen Trainingsbereiche in einer präzisen Diagnostik erhoben. Allerdings muss man sich auch da bewusst sein, dass eine unter Laborbedingungen durchgeführte Diagnostik sich nur bedingt auf Trainings im Feld übertragen lässt. Es gibt einige innere und äussere Einflussfaktoren, welche die persönliche Leistungsbereitschaft und damit den Trainingsfortschritt beeinflussen können.

Man kann generell zwischen objektiven und subjektiven Metriken unterscheiden. Eine erzeugte Leistung (Watt, Laufgeschwindigkeit oder auch Training Stress Score) ist ein objektiver, weil gemessener Parameter. Die eigene Herzfrequenz oder auch die Borg-Skala sind subjektive, weil vom persönlichen Empfinden abhängige Metriken.

Bei Wettkämpfen wende ich immer eine Kombination zwischen Objektivität und Subjektivität an und versuche diese beiden Werte in Einklang zu bringen. Eine gewisse Watt-Vorgabe soll einem gewissen RPE entsprechen. Ist jedoch beispielsweise die gefühlte Belastung zu hoch, senke ich die Leistungswerte. Anders ausgedrückt: Ich stelle meine aktuelle Tagesform sowie äussere Einflüsse über die Pacingvorgaben.

Objektive Parameter

Watt/Laufgeschwindigkeit

Der einfachste, weil objektiv messbare Parameter, ist immer die erbrachte Leistung. Im Falle eines Sportlers werden dies die erbrachten Watt (auf dem Rad oder zu Fuss) oder die Laufgeschwindigkeit sein. Dabei darf gerade die Laufgeschwindigkeit nur im flachen Gelände als Referenz herangezogen werden.

Die Leistungswerte eignen sich grundsätzlich fast immer zur Trainingssteuerung. Gerade bei kurzen Belastungen wie intermittierenden Intervallen oder Bahntrainings können Pacingvorgaben hilfreich sein. Aber auch bei konstanten Radeinheiten oder im Laufsport flachen Läufen helfen gewisse Leistungskorridore zur Trainingssteuerung.

Allerdings sollte die objektive Leistung immer mit dem Körpergefühl und der Herzfrequenz abgeglichen werden.

Training Stress Score

Um den Trainingsload messen bzw. sichtbar machen zu können, gibt es auf rechnerischer Basis den sogenannten TSS. Der TSS kann im Triathlon für alle drei Disziplinen abgeleitet werden.

Der im täglichen Training ausgelöste und im TSS sichtbar gemachte «Stress», ergibt aufsummiert eine Steigerung der Fitness. Auch Strava nutzt diesen Parameter.

Die Definition ergibt sich wie folgt: Eine Stunde Aktivität an der funktionellen Leistungsschwelle (FTP) ergibt einen TSS von 100. Daraus erkennt man bereits, dass die eigene Schwellenleistung richtig ermittelt sein muss, damit dieses Modell überhaupt richtig genutzt werden kann. Überschätzt man seine eigene FTP, läuft man Gefahr irgendwann in einem Übertraining zu landen da der reale Trainingsstress viel höher ist als der Gemessene. Anders gesagt, wird so die geplante lockere GA1-Ausfahrt zur Tempofahrt im GA2.

Zudem kann ein geplanter Trainingsstress je nach Vorbereitung und Vorermüdung total anders wirken. Wird ein Training beispielsweise nüchtern absolviert oder wird ein Lauf als Koppeleinheit durchgeführt, wird auch der Stress auf den Körper viel höher sein.

Deswegen eignet sich die Metrik als grober Fahrplan zur Steuerung von Fitness, Form und Müdigkeit. Sie sollte aber nie als alleiniges Tool zur Formsteuerung herangezogen werden.

Subjektive Parameter

Herzfrequenz

Im Ausdauersport ist die Herzfrequenz der wohl am meist verbreitetste Parameter zur Steuerung des eigenen Trainings. Er gibt dem Sportler Auskunft über die Reaktion des Körpers auf einen Stressor (zum Beispiel das Training).

Die Herzfrequenz ist ein eher sensibler Parameter, welcher durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden kann. Insofern sollte ein Athlet den Puls immer in Kontext zum Wetter, Stresslevel oder auch der Ernährung betrachten. Herrschen beispielsweise heisse Temperaturen, so könnte eine Orientierung am Puls durchaus mehr Sinn machen als ein stures fahren/laufen nach Watt oder Tempo.

Ein Training nach Herzfrequenz bietet sich vor allem bei konstanteren Belastungen an, welche über einen längeren Zeitraum gehalten werden müssen. So sind Dauerläufe oder längere Intervalle sehr gut mit der Herzfrequenz zu steuern. Auch Einheiten in hügeligem Gelände sollten ausschliesslich mit der Herzfrequenz gesteuert werden. Bei intermittierenden Intervallen wird eine Trainingssteuerung nach Puls an seine Grenzen stossen, da dieser immer mit einer gewissen Verzögerung reagiert bzw. die vorgegebenen Zonen zu Beginn der Intervalle nicht erreichen kann. Dabei werden Intervalle in der Tendenz zu hart absolviert und damit auch der Trainingszweck nicht zu 100% getroffen.

RPE (Rating of perceived exertion)

Das eigene Körpergefühl wird im Sport mit der RPE-Skala ausgedrückt. Dabei handelt es sich um eine abgeleitete Form der Borg-Skala, welche von 1 bis 10 geht. Während eine 1 für «sehr sehr locker» steht, ist die 10 als «all out» zu verstehen. Es ist also ein Ausdruck der subjektiven Erschöpfung.

Die Skala ist ein ideales Tool zur Selbstüberprüfung einer Trainingsintensität und sollte immer ins Monitoring miteinbezogen werden.

Bei Läufen in hügligem Gelände oder auch bei längeren, flachen Laufeinheiten achte ich ausschliesslich auf die Herzfrequenz und den RPE.

Gutes Training bedarf einer guten Steuerung

Eine Trainingssteuerung, so wie ich sie verstehe, sollte sich nie nur auf einen Parameter verlassen. Ich persönlich bin ein grosser Fan davon, Werte nicht als fixen Punkt zu betrachten, sondern vielmehr als Leitplanke.

Das unten aufgezeichnete Beispiel stellt dar, was ich meine: Das objektiv gleiche Training erzielt subjektiv eine komplett andere Wirkung, was wiederum einen anderen Stress für den Körper darstellt. Wichtig ist zu verstehen, dass vorgegebene Leistungsdaten immer von einem «optimalen» (oft auch unter Laborbedingungen) erhobenen Zustand ausgehen. 

Konkret bedeutet dies, dass ein/e Athlet/in in diesem Beispiel das Tempo bei erhöhten Temperaturen nach unten korrigieren muss, damit die subjektiven Parameter wieder in den gewünschten Bereich kommen. Notabene ist es ja immer ein Trainingsbereich in welchem man trainiert. An manchen Tagen trainiert man aufgrund der inneren und äusseren Gegebenheiten am oberen und an manchen Tagen eher am unteren Bereich. Betrachtet in diesem Sinne das Training auch etwas spielerisch und nicht zu stur.

Bleibt das System über einen längeren Zeitraum hinweg in Schieflage und Puls, Tempo und RPE stimmen nie überein, muss man sich die Frage stellen, ob die Trainingsbereiche richtig erhoben bzw. korrekt eingestellt sind. Auch nach einer längeren Trainingspause oder bei einem sich anbahnenden Infekt sind diese Beobachtungen festzustellen.

Das gleiche Training, jedoch ein total anderer Stress für den Körper. Deswegen muss ein/e Athlet/in lernen, situativ auf gewissen Gegebenheiten zu reagieren.