Powerman Zofingen 2022

Powerman Zofingen 2022

Der längste und härteste Duathlon der Welt

Es gibt einen Song der Band «The darkness» mit dem Titel «One way ticket to the hell and back». Diesen Titel würde ich, auch wenn das jetzt nach einer Floskel klingt, in Bezug auf den Powerman Zofingen zu 100% unterschreiben. So schön und reizvoll diese Langdistanz ist, so brutal und zerstörend kann sie auf der anderen Seite sein. Vor einem Jahr stand ich das erste Mal an der Startlinie der Langdistanz-WM und erfuhr dies auf bittere und unglaublich emotionale Art und Weise. Es war in vielerlei Hinsicht ein episches Rennen, welches in mir noch lange nachhallte. Der Finish war damals schlussendlich das Wichtigste und der Top10-Platz vielleicht auch etwas trügerisch, da die Ausfallquote enorm hoch war. Für die Duathleten ist der Powerman Zofingen gleichzeitig auch die einzige Langdistanz weltweit. Das bedeutet, dass es pro Jahr genau eine Chance gibt auf ein erfolgreiches Rennen.

Der Mensch hat bekanntlich die Tendenz schnell zu vergessen. Die vor Jahresfrist gefühlten Schmerzen bei diesen widrigen Bedingungen prägten sich jedoch ein, weshalb ich das Rennen mit einem noch grösseren Respekt in Angriff nahm.

Nach meinem Langdistanz-Debut hatte ich nun ein Jahr später erneut die Ehre die Schweiz im Elite-Feld vertreten zu dürfen. So sehr ich mich auf dieses Rennen freute, so sehr war mir auch bewusst, dass mir über solche Distanzen die Erfahrungen immer noch fehlen und ich mich ab 4 Stunden Rennzeit in eher unbekannten Gefilden bewegen würde.

Normalerweise bedeutet Zofingen Regenwetter. Nicht so 2022: es herrschten spätsommerliche Temperaturen. 

Auch die letzten zwei Wochen verliefen erfreulich und die neuen Trainingsimpulse verkraftete ich weitestgehend sehr gut. Insofern stiegen Vorfreude, gepaart mit einer gesunden Portion Nervosität zunehmend an. Insbesondere auf das Bike freute ich mich sehr, da ich mir dort aufgrund der Trainings eine entsprechende Performance erhoffte. Die einzige kleine Unsicherheit welche hängen blieb, waren die mal mehr mal weniger auftauchenden Magendarm-Beschwerden. Die Gastritis war zwar eigentlich auskuriert, trotzdem fühlte es sich nicht vollends okay an. Aber eben, die Nervosität kann einem da auch schon mal einen Streich spielen. Wie dem auch sei, körperlich war ich bereit für das was kommen sollte.

Nachdem die WM im letzten Jahr im wahrsten Sinne des Wortes im Regen versoff, meldeten die Aussichten spätsommerliche Temperaturen mit Höchstwerten um die 26 Grad. Entsprechend machte ich mir im Vorfeld viele Gedanken über die Trink- und Kühlstrategie. Auch aufgrund der Erfahrung vom Powerman France zog ich meine Lehren daraus.

Am Samstag traf sich das gesamte Nationalteam zum Briefing und der Startnummerausgabe. Ich finde diese Treffen immer wieder cool. Es wird über Gott und die Welt des Duathlons aber auch ganz andere Themen geplaudert was ich jeweils echt bereichernd finde.

Es ist immer wieder eine Ehre, Teil eines solch starken Teams zu sein.

1. Lauf, 10km – taktische Überlegungen

Am Sonntagmorgen, Punkt 9 Uhr ging das Rennen los, um welches sich in den vergangenen Wochen so Vieles drehte. Ich stufte das Feld etwas stärker ein als im letzten Jahr und war sehr gespannt was die kommenden Stunden bringen würden.

Aufgrund meiner physischen Möglichkeiten und den Erfahrungen von 2021, kamen für mich zwei taktische Optionen in Frage. Nachdem ich bereits einen halben Kilometer nach dem Start feststellte, wie unglaublich hart angelaufen wurde war für mich bereits klar, welchen Plan ich verfolgen musste: Ein paar Prozente rausnehmen, den eigenen Rhythmus suchen und auf eine gute Verfolgergruppe auf dem Rad setzen. Es herrschte beim Durchlaufen der Arena eine super Stimmung und ich freute mich richtig auf die zweite Runde.

Die erste Laufrunde lief ein Teil der Schweizer Athleten mehr oder weniger geschlossen. Obwohl mein Gesichtsausdruck etwas anderes auszudrücken scheint, fühlte ich mich hier hervorragend 😉

In dieser konnte ich mich von meinen Schweizer Kollegen Kälin, Lustenberger und Muffler etwas absetzen und näherte mich nun langsam der vor mir liegenden 3er-Gruppe mit dem noch amtierenden Weltmeister Seppe Odeyn. Abwärts liess ich es nun ziemlich rauschen, zog rund einen Kilometer vor der Wechselzone das Tempo kontinuierlich an und schob mich dank eines perfekten Wechsels vom 10. auf den 7. Rang vor. Da ich selbst erstaunt war, wie schnell ich auf das Bike kam, war ich einen kurzen Moment unsicher ob ich irgendwas verpasst habe mitzunehmen. Glücklicherweise war jedoch alles da.

Bike, 143km – Höhen und Tiefen

Mit Odeyn, Fabian Holbach aus Deutschland und dem Franzosen Baptiste Domanico gingen wir in einer 4er-Gruppe in die erste Steigung in Richtung Mühlethal. Ich übernahm während den ersten 15 Minuten die Führung und glaubte zu spüren, dass ich heute auf dem Bike echt etwas reissen konnte.

Ich rechnete damit und hoffte darauf, dass Lustenberger von hinten ebenfalls den Sprung in diese Gruppe schaffen würde. Damit wären wir in der Verfolgergruppe mit zwei Schweizern vertreten gewesen. Leider erwischte dieser einen eher schlechten Tag und musste das Rennen später aufgeben.

In der Fläche schlug Holbach an der Spitze ein Tempo an, das jenseits von Gut und Böse war und bereits im Aufstieg zum Wiliberg war ich am Ende der Gruppe angelangt. Obwohl ich nun die Steigung eigentlich etwas über meinen Verhältnissen fuhr, ging die Lücke auf. So wurden in der Abfahrt die Karten neu gemischt und nach Kilometer 30 fand ich mich plötzlich in der Gruppe mit Domanico und Jens Gossauer wieder, der den Anschluss an die Spitzengruppe verlor.

Die Beine waren bis km 90 absolut top. Der Magen jedoch danach sicher ein Grund, weshalb es mir etwas den Stecker zog. 

Wiederum 5km weiter stellten wir gemeinsam Odeyn wieder und waren fortan zu viert unterwegs. Die Konstellation war ein wahrer Jackpot, jedoch war ich mir auch im Klaren darüber, dass ich innerhalb dieser Gruppe, der wohl schwächste Radfahrer war. Trotzdem fühlte ich mich zu diesem Zeitpunkt hervorragend und passierte die erste Zieldurchfahrt auf Rang 7 liegend. Unser Rückstand auf die Spitze betrug 2:30min. Wahrscheinlich liess ich mich dadurch etwas verleiten und ging zu übermütig nach vorne, um das Tempo zu erhöhen.

So langsam wurden die Karten aufgedeckt und es zeigte sich, wer in welchen Passagen wie stark fuhr. Aufwärts hatte ich mehr zu beissen, dafür konnte ich im Flachen die dadurch entstandene Lücke immer wieder zufahren. In dieser Konstellation ging es auch bei km 86 bei Start und Ziel durch. Soweit so gut, wenn sich nicht plötzlich der Magen zu Wort gemeldet hätte. Bis dato klappte die Kohlenhydrataufnahme super, jedoch wurde diese nun zunehmend schwieriger. Ich sah mich ein paar Kilometer später zurückversetzt ins letzte Jahr: Innerhalb von kurzer Zeit wurde das Körpergefühl massiv schlechter. Ich konnte das Tempo der Vorderleute nicht mehr mitgehen und begann nun den eigenen Rhythmus zu suchen. Fabian Zehnder, der eine (ungerechtfertigte) Zeitstrafe absitzen musste, überholte mich ebenfalls, jedoch verzichtete ich darauf mitzuziehen da ich genau wusste was noch kommen würde.

Auch wenn die letzte Runde alles andere als angenehm und ich zwischenzeitlich kurz vor dem Erbrechen war, kam ich mit einer an und für sich immer noch respektablen Radzeit von 3:56 Stunden gemeinsam mit dem Holländer Wout Driever in die Wechselzone. Zu diesem Zeitpunkt lag ich auf Position 10.

Nach 143km auf dem Rad und vor 26.5 Laufkilometern in der Wechselzone.

2. Lauf, 26.5km – Magenprobleme

Der Wechsel verlief sehr unaufgeregt. Mütze auf, Sonnenbrille montieren und los ging es auf die zweistündige Tortur. Nationalcoach Cameron Lamont gab mir beim Vorbeilaufen meine Verpflegung rein und zu meinem Erstaunen konnte ich zu Beginn eine für meine Verhältnisse ordentliche Pace anschlagen, welche sich gut anfühlte. Ich machte in der ersten Runde einen Rang gut in dem ich Zehnder einholen konnte (der leider kurz darauf das Rennen aufgeben musste), gleichzeitig überholten mich der Deutsche Jens Frommhold und der Engländer Dan Soltys.

Beim Hinauslaufen aus der Wechselzone war die Welt eigentlich noch halbwegs in Ordnung. Bis zur Rennhälfte bei km12 gelang mir ein grundsätzlich gutes Rennen. Danach machte vor allem das Abwärtslaufen aufgrund des Magens und Schwindel extreme Schwierigkeiten.

Auf der zweiten Runde eroberte ich mir dann sogar Platz 10 wieder zurück. Nebst dem stetigen Kühlen an den Verpflegungsposten musste ich kurz mal anhalten und eine Pinkelpause einlegen. Aus dem Nichts fing der Magen plötzlich wieder an zu krampfen und leichter Schwindel setzte ein, was es mir nun vollends verunmöglichte es abwärts entsprechend rollen zu lassen. Das war insofern extrem ärgerlich, als dass sich die Beine eigentlich noch halbwegs passabel angefühlt hätten. Gefühlsmässig verlor ich in diesen Passagen sehr viel Zeit und bangte einen kurzen Moment gar um den Finish.

Gleichzeitig bekam ich mit, dass ganz vorne der Teamkollege Michael Ott um das Podest kämpfte, was für mich noch einmal ein Motivationsschub war. Ich schrie ihm noch irgendwas zu als wir uns auf der Strecke kreuzten und richtete den Fokus dann wieder auf mein Rennen.

Was mich in dieser Phase ebenfalls mächtig pushte waren die sehr vielen Anfeuerungsrufe und die bekannten Gesichter entlang der Strecke.

Das Spiel um Platz 10 bei der Elite ging dann munter weiter. In den von der Zwischenzeit bis ins Ziel vier abwärtsverlaufenden Kilometern nahm mir Frommhold jeweils 2-3 Minuten ab, was einer kleinen Weltreise entspricht. In den Aufwärtspassagen zog ich dann jeweils wieder an ihm vorbei und konnte ihn distanzieren. Abwärts war es nun eine reine Katastrophe, geradeaus und aufwärts lief es weiterhin mehr oder weniger okay.

In der letzten Runde befand ich mich in einem puren Überlebenskampf und mein Körper reagierte in einer Art und Weise die mir fremd war. Ich quälte mich ein letztes Mal in den Wald hinauf, erkämpfte mir gleichzeitig nochmals den 10. Platz, den ich aber abwärts nun definitiv begraben konnte. Es ging einfach nicht mehr. 

Schlussendlich musste ich mich von Jens Frommhold um den 10. Platz bei der Elite geschlagen geben. Wir waren wohl beide am Ende unserer Kräfte…

So lief ich nach 6:39:02 Stunden overall auf Platz 12 ins Ziel ein und kippte ein paar Meter nach der Finishline erst einmal zusammen und wollte trotz den Hinweisen der Sanitäter eigentlich nicht mehr aufstehen. Nur eine Viertelstunde später fand ich mich dann definitiv im Sanitätszelt wieder. Ich erlitt eine Unterzuckerung und für einen kurzen Augenblick wurde mir beinahe schwarz vor Augen. Der Blutzucker stabilisierte sich dann aber glücklicherweise sehr schnell wieder und nach einer Bouillon war ich zumindest soweit auf den Beinen, dass ich mein Material aus der Wechselzone holen konnte.

20 Minuten nach dem Zieleinlauf fand ich mich beim Notarzt wieder – glücklicherweise bald wieder mit einem Grinsen. Wahrscheinlich kassierte ich eine kleine Hypoglykämie.

Und was jetzt?

Was an der Spitze des Rennens gezeigt wurde, war von einem anderen Stern. Nachdem ich diese Leistungswerte etwas studiert habe, wage jetzt einmal die Aussage, dass sich die Duathlon Weltspitze absolut mit der Langdistanz-Elite bei den Triathleten messen kann.

An dieser Stelle herzliche Gratulation an Michael Ott zu Platz 3 und Melanie Maurer zu ihrem wohlverdienten Weltmeistertitel! Hochachtung vor dem was ihr gezeigt habt!

Schade, dass diese Leistungen in der Öffentlichkeit so wenig Beachtung finden.

Ich für meinen Teil muss mit dem Resultat zufrieden sein. Aufgrund der Vorbereitung hätte ich mir zwar ein besseres Ergebnis erhofft und war felsenfest überzeugt, dass ich beim 2. Lauf stärker abliefern kann. Dass es mir zu früh, den Stecker gezogen hat und nun alles etwas anders gelaufen ist, zeigt halt einmal mehr, wie viel zusammenpassen muss für ein perfektes Rennen. Es gab gute Momente unterwegs und es gab die unglaublich tiefen Täler, welche wohl alle Athleten/Athletinnen durchschreiten mussten.

Vielen Dank dem Team des Powerman Zofingen rund um Stefan Ruf, welches uns Athleten einen reibungslosen und hervorragend organisierten Wettkampf ermöglichten.

Ebenfalls ein grosser Dank geht an meinen Coach Mario Schmidt-Wendling. Wir haben innerhalb dieser noch jungen Zusammenarbeit das Beste herausgeholt. Auf geht’s ins nächste Kapitel! Ich werde nächstes Jahr wieder am Start sein und versuchen stärker zurückzukommen.

Am allermeisten möchte ich mich jedoch bei meiner Frau Nadia bedanken. Sie hat vor und während des Rennens extrem viel für mich gemacht, hat mitgelitten und war immer da.

Die WM stellt aber vorerst auch der letzte grosse Wettkampf dar in diesem Jahr. Ich brauche eine Pause und will dem Körper nun die wohlverdiente Ruhe gönnen.

Die Fortsetzung wird aber folgen 😉

Die Resultate meiner Athletinnen/Athleten

Herzliche Gratulation zu den Resultaten, welche ihr an diesem Wochenende in Zofingen, Locarno und Sarnen gezeigt habt!

Markus Huber, Triathlon Locarno, Olympisch Distanz, Rang 2 AK
Trotz des grossen Rückstandes im Wasser, drehte er dann mächtig auf und schnappte sich Rang 2.

Maurizio Calarese, Triathlon Locarno, Kurzdistanz, Rang 7 AK
Extrem starke Leistungen auf dem Tri-Bike und dem abschliessenden Lauf.

Joel Graber, Powerman Zofingen Shortdistance, Rang 3 Hauptklasse
Mit den zweitbesten Laufzeiten overall verkaufte er sich bei seinem ersten Duathlon ganz stark.

Andreas Blatter, Powerman Zofingen Shortdistance, Rang 18 AK
Nach seiner Corona-Infektion gelang der Wiedereinstieg nach Mass.

Marcel Abrach, Powerman Zofingen Shortdistance, Rang 14 AK
Das beste Rennen der Saison beim wichtigsten Duathlon der Saison.

Iris Bachmann-Holzinger, Powerman Zofingen Shortdistance, Rang 4 AK
Die 10 Sekunden Rückstand auf das Podium sind undankbar. Dennoch eine starke Performance.

Sarah Nussbaumer, Powerman Zofingen Shortdistance, Rang 7 AK
Welcome back. Ein sauberer Wiedereinstieg.

Elita Amato, Sarnen 10km, Rang 2 AK
Ein souveräner und kontrollierter Lauf auf das Podest.

Bildquellen: worldtriathlon.org, alphafoto.ch, eigene