Wieso hat GA2 einen so schlechten Ruf?

Die kontroverse Diskussion um GA2

Seit ich mich erinnern kann, sind im Ausdauersport die Diskussionen um GA2-Training omnipräsent. Das hat mich schlussendlich auch dazu bewogen, den vorliegenden Blog zu schreiben und die oftmals vorhandene Ablehnung dieser Trainingszone mal etwas genauer zu beleuchten.

Grundlagenausdauer 2 ist die Trainingsintensität zwischen der aeroben und anaeroben Schwelle. Diese Zone liegt etwa zwischen 75–85 % der maximalen Herzfrequenz oder bei 85–95 % der anaeroben Schwelle. Was sicher viele Sportler/innen kennen ist, dass sie sich bei einem Grundlagenlauf häufig in dieser Zone wieder finden. Lockere Einheiten werden als zu langsam empfunden und so immer leicht zu hart gelaufen oder gefahren. Das macht zugegebenermassen auch etwas mehr Spass.

Dieser Bereich wird oft als „Graue Zone“ bezeichnet, da sie weder klassisches, niederintensives Grundlagentraining noch hochintensives Intervalltraining ist. Allerdings passiert in diesem Bereich nicht einfach nichts – aus Sicht des Stoffwechsels wäre das schlicht nicht haltbar.

Mitunter hat das Image dieser Zone auch durch das Aufkommen des polarisierten Trainingsansatzes gelitten. Das polarisierte Prinzip (80% locker, 20% sehr intensiv) meidet zu einem grossen Teil den GA2-Bereich. Mir ist das von Stephen Seiler (Seiler, 2010) sehr gut erforschte und wissenschaftlich belegte Konzept absolut geläufig und ich wende diese Trainingsform in manchen Fällen bzw. Phasen ebenfalls ziemlich ausgeprägt an. Unabhängig von Distanz, Sportart und Athlet/in wird das polarisierte Training oftmals als alleiniges und allgemeingültiges Prinzip zur Steigerung der Ausdauerleistung betrachtet. Bei all den Vorteilen, welche dieser Ansatz hat, machen mich pauschale Trainingsempfehlungen seit jeher immer etwas stutzig.

Insofern möchte ich hier möglichst kompakt der Frage nachgehen, wo GA2-Training tatsächlich gemieden werden soll und wo es eben vielleicht einen entsprechenden Mehrwert bieten kann. Ich nehme es gerne vorneweg: Wie so Vieles im Leben gibt es auch hier nicht einfach ein Schwarz oder Weiss. 

Nach dem 3-Zonen Modell (Seiler et al. 2009) wird der Bereich die Zone 2 (GA2) weitestgehend gemieden. Diese befindet sich zwischen der aeroben und anaeroben Schwelle. 

Was ist die Kritik an GA2?

Die meisten Trainingsphilosophien, insbesondere das oben erwähnte polarisierte Training, betonen eine Verteilung von 80 % niedrigintensivem (<aerobe Schwelle) und 20 % hochintensivem Training (>anaerobe Schwelle). Die Aussage ist also die Folgende: Setze klare Akzente in deinem Training: sehr hart oder locker.

Dabei werden die folgenden Kritikpunkte am GA2-Training geäussert:

Zu intensiv für Grundlagentraining

GA2 verbraucht mehr Kohlenhydrate als lockeres Grundlagentraining, ohne die aerobe Basis optimal zu entwickeln. Da es über dem Bereich der maximalen Fettoxidation liegt, nimmt der Verbrauch von Kohlenhydraten zu und führt daher deutlich schneller zu Ermüdung bzw. erhöht die Regenerationszeit.

Zu wenig intensiv für maximale Anpassungen

Im Vergleich zu (hoch)intensivem werden keine Spitzenanpassungen in VO2max, Laktatschwelle oder anaerober Kapazität erreicht. Es wird alles ein bisschen, aber nichts richtig trainiert.

Erhöhte Ermüdung bei geringerem Nutzen

GA2 ist belastender als GA1, erfordert längere Regeneration und kann zu unzureichenden Anpassungen führen, wenn sie nicht gezielt eingesetzt wird.

Ungenügende Ausbildung der aeroben Parameter

Der aerobe Stoffwechsel wird über zwei Wege getriggert und nutzt dabei unterschiedliche Signalwege: Hohe Intensität über einen zellulären Energiemangel (AMPK) oder tiefe Intensität über eine konstante Kalziumausschüttung. Durch die Mischform von GA2 wird die Entwicklung des aeroben Stoffwechsels nicht optimal ablaufen.

Diese Argumente sind für sich betrachtet absolut stimmig. An dieser Stelle sei auch die Studie von Foster et al. (2022), «Polarized training is optimal for endurance athletes», erwähnt.

Und was ist die Kritik am polarisierten Training?

Interessanterweise erschien im gleichen Jahr die Gegenstudie (Burnley et al. 2022) unter dem Titel «Polarized Training is not optimal for endurance athletes», welche eine gewisse Kritik am polarisierten Ansatz äussert. Zwei Kernaussagen aus der Studie möchte ich hier aufführen:

  • Betrachtet man die tatsächlich verbrachte Trainingszeit in den besagten Zonen, so ergibt sich laut der Studie ein pyramidales Konzept, welches GA2 bzw. den Schwellenbereich explizit als Teil beinhaltet.
  • Das polarisierte Prinzip widerspricht gemäss der vorliegenden Studie der Spezifität des Trainings. Man sollte sich also die Frage stellen, in welcher Zone die Wettkampfintensität stattfindet, und diese versuchen ins Training zu integrieren.

Eine weitere spannende Studie (Festa et al. 2020) untersuchte die Trainingsintensitätsverteilung von Freizeitläufern. Hier scheint die Verteilung der Intensität auch in Abhängigkeit des Gesamttrainingsvolumens zu stehen. Je weniger Trainingszeit verfügbar ist, umso mehr könnte eine mittlere Intensität Sinn machen, Je höher die verfügbare Trainingszeit, umso interessanter könnte eine polarisierter Ansatz sein.

Persönlich möchte ich hier gerne noch anfügen, dass gerade bei eher unerfahrenen Sportlern der (hoch)intensive Bereich, gerade für Läufer, eine potentiell grosse Verletzungsgefahr mit sich bringt.

Wo liegen die Vorteile GA2?

Der gezielte Einsatz von GA2 ist in den folgenden Fällen begründet:

Verbesserung der Leistung in submaximalen Bereichen

GA2 ist ideal als vorbereitende Massnahme für mittlere bis lange Wettkampfbelastungen, da sie die Fähigkeit verbessert, bei höheren Intensitäten vorrangig aerob zu arbeiten. Gerade Ausdauerleistungen, welche im Bereich von >1 Stunde stattfinden profitieren besonders, da sie oft über lange Zeiträume in dieser Zone fahren oder laufen müssen. Athleten mit einer sehr hohen aeroben Leistungsfähigkeit (VO2max) reagieren oftmals sehr stark auf ein gezieltes Training in dieser Zone und erschliessen dort neue Reize.

Entwicklung und Verschiebung der anaeroben Schwelle

GA2-Intervalle oder Intervalle knapp unterhalb der Laktatschwelle haben einen starken Impact auf die Erhöhung der anaeroben Schwelle. Gleichzeitig lernt der Körper in diesem Bereich Laktat abzubauen bzw. als Energiequelle zu nutzen.

Mentaler Bestandteil

Zur Ausbildung und Angewöhnung an das rennspezifische Tempo im Mittel- und Langdistanzbereich ist der Bereich quasi unerlässlich. Zudem schafft er auch die mentalen Voraussetzungen, sich über längere Zeit in dem «unangenehmen» Bereich zu bewegen. Umgekehrt tut es Athleten im Trainingsalltag mental auch mal gut, sich nicht ausschliesslich durch HIT ins Nirvana zu schiessen, sondern dem Kopf auch mal etwas Ruhe durch subschwellige Intervalle zu gönnen.

Effizientere Nutzung von Trainingszeit für Breitensportler

Viele Hobbysportler haben begrenzte Trainingszeit. Während Profis je nach Sportart 15–25 Stunden pro Woche trainieren können, stehen Amateuren oft nur 5–10 Stunden zur Verfügung. Gerade hier kommt die Stärke des «Mischbereichs» zum Tragen. Es gibt zudem auch evidenzbasierte Hinweise, dass hier ein höherer Output besteht, wenn die Bereiche ausgewogener trainiert werden.

Beispielsweise finden Triathlon-Mitteldistanzen zu einem grossen Teil im Bereich von GA2/Subschwelle statt. Es könnte sich also auch lohnen, die Tempotrainings breiter in diesem Bereich anzulegen anstelle von ausschliesslich hochintensiven Einheiten.

Mein Fazit: GA2 ist kein Fehler – sondern ein Werkzeug

GA2-Training ist kein ineffizientes „Junk Miles“-Training, sondern hat einige Vorteile, wenn es richtig eingesetzt wird. Wenn die Verteilung der Trainingsintensität ein Zufallsprodukt ist, bin ich der Erste der sagt, dass GA2 zwangsläufig in einer Leistungsstagnation enden und in einem grösseren Volumen sogar zu Übertraining führen kann. Die Haupttrainingszeit sollte immer auf GA1 liegen – da sind sich fast alle Studien einig. GA2 ersetzt keinen Trainingsbereich, sondern ergänzt und rundet ab. Es ist eben die Dosis, welche das Gift macht. Zu viel GA2 ist genauso unsinnig wie zu viel HIT. Insofern ist GA2 weder unnütz noch überbewertet sondern ein interessantes Werkzeug, das gezielt eingesetzt werden kann.

Lange Rede kurzer Sinn: Nebst der kontrovers diskutierten Thematik bin ich überzeugt, dass es eben keinen universellen Schlüssel für ein allgemeingültiges Ausdauertraining gibt. Zu verschiedene Aspekte wie Athletentyp, verfügbare Zeit, Sportart, Saisonzeitpunkt oder unterschiedliche Distanzen beeinflussen die Gestaltung eines Trainingsplans und damit auch die Verteilung von Intensitäten.

Quellen

Festa L, Tarperi C, Skroce K, La Torre A and Schena F (2020) Effects of Different Training Intensity Distribution in Recreational Runners. Front. Sports Act. Living 1:70. doi: 10.3389/fspor.2019.00070

Esteve-Lanao J, Foster C, Seiler S, Lucia A. Impact of training intensity distribution on performance in endurance athletes. J Strength Cond Res. 2007 Aug;21(3):943-9. doi: 10.1519/R-19725.1. PMID: 17685689.

FOSTER, CARL1; CASADO, ARTURO2; ESTEVE-LANAO, JONATHAN3; HAUGEN, THOMAS4; SEILER, STEPHEN5. Polarized Training Is Optimal for Endurance Athletes. Medicine & Science in Sports & Exercise 54(6):p 1028-1031, June 2022. | DOI: 10.1249/MSS.0000000000002871

BURNLEY, MARK1,2; BEARDEN, SHAWN E.3; JONES, ANDREW M.4. Polarized Training Is Not Optimal for Endurance Athletes. Medicine & Science in Sports & Exercise 54(6):p 1032-1034, June 2022. | DOI: 10.1249/MSS.0000000000002869

Neufeld EV, Wadowski J, Boland DM, Dolezal BA, Cooper CB. Heart Rate Acquisition and Threshold-Based Training Increases Oxygen Uptake at Metabolic Threshold in Triathletes: A Pilot Study. Int J Exerc Sci. 2019 Jan 1;12(2):144-154. doi: 10.70252/HNHZ4958. PMID: 30761193; PMCID: PMC6355121.

Seiler, Stephen & Tønnessen, Espen. (2009). Intervals, Thresholds, and Long Slow Distance: the Role of Intensity and Duration in Endurance Training. SPORTSCIENCE · sportsci.org. 13. 32-53.