I’m off! Gedanken zur Off-Season.​

Die Off-Season im Ausdauersport ist von den Athleten eine oftmals nicht sonderlich geliebte Phase, welche dadurch auch weniger Aufmerksamkeit erhält als die Wettkampfsaison. Dennoch ist sie von entscheidender Bedeutung für die langfristige Leistung und die Gesundheit von Athleten. Ich möchte in diesem kurzen Beitrag mit ein paar Punkten aufzeigen, wieso ich die Off-Season als wichtige und notwendige Phase anschaue.

1. Regeneration und Erholung

Die Off-Season bietet Athleten die Möglichkeit, sich von den physischen und mentalen Strapazen der Wettkampfsaison zu erholen. Während der Wettkämpfe wird der Körper stark beansprucht, sowohl physisch als auch mental. Training und Wettkämpfe sind nichts anderes als Stressoren, welche vom Körper verarbeitet werden müssen. Insbesondere zwei Systeme können bei zu wenig Achtsamkeit in Mitleidenschaft gezogen werden:

  1. Passive Strukturen
    Die Knochen sowie der ganze Bänder-/Sehnen-Apparat sind auf physischer Ebene dasjenige System, welches am meisten Zeit für Adaptationen benötigt. Dieser Prozess geschieht über Monate oder sogar Jahre hinweg. Eine nach einer langen Saison eingelegte Pause hilft, den kumulierten Stress zu verarbeiten und damit Verletzungen (bspw. Ermüdungsbrüche oder Entzündungsreaktionen) vorzubeugen.
  2. Hormonelles Ungleichgewicht
    Die passiven Strukturen werden massgeblich durch unsere Hormonausschüttung mit beeinflusst. Durch die vielen Trainings und Wettkämpfe läuft unser Hormonsystem auf Hochtouren. Insbesondere das Cortisol, umgangssprachlich auch als Stresshormon bekannt, ist im Dauereinsatz. Es mobilisiert die im Körper gespeicherten Energiereserven, erhöht die Herzaktivität und lässt die Konzentration ansteigen. An und für sich gute und nützliche Eigenschaften, welche jedoch bei andauerndem Einsatz auch negative Folgen mit sich bringen können. So steigt beispielsweise irgendwann die Infektanfälligkeit und das Risiko für Verletzungen.

Wenn man den Stoffwechsel bzw. die Energiebereitstellung isoliert betrachtet, wäre eine Pause nicht nötig. Im Gegenteil: Gemäss Studienlage ist das Verdikt eindeutig. Mujiika et al. (2000) untersuchte die physiologischen Effekte nach einer 4-wöchigen Phase mit tieferen bzw. weniger Trainingsreizen:

  • Sehr rasch wird die VO2max (Maximale Sauerstoffaufnahme = der wesentliche Ausdauerparameter) sinken, wobei dieser Effekt auf eine Reduktion des Gesamtblut- und Plasmavolumens zurückzuführen ist. Zu beobachten ist dabei auch ein Anstieg der Herzfrequenz, durch welche versucht wird, das verringerte Schlagvolumen auszugleichen.
  • Im Umkehrschluss ist ein Mehrbedarf an Kohlenhydraten zu beobachten, während sich der Fettmetabolismus senkt. Die dadurch steigenden Laktatwerte, bei gleicher Leistung, haben schlussendlich eine verminderte anaerobe Schwelle zur Folge.
  • Auf muskulärer Ebene ist ein Rückgang der Kapillardichte und eine verringerte mitochondriale Energieproduktion (was den Mehrbedarf an Kohlenhydraten erklärt) zu erkennen. Weiter nimmt auch die sportartspezifische Kraft ab.
  • Zu guter Letzt ist bei ausdauertrainierten Athlet/innen eine Verringerung der Insulinsensitivität zu beobachten. Das bedeutet, dass der Blutzucker etwas schlechter reguliert werden kann.

ABER: All diese vermeintlich negativen Effekte würde ich, ohne zu zögern, in Kauf nehmen. Ich empfehle jedem Athleten eine Pause in seiner Kernsportart von 2-4 Wochen, in welcher er oder sie sich total vom Training lösen soll. Dabei sollen auch die Feste ruhig gefeiert werden, wie sie halt gerade fallen.

Season und Off-Season: Ein gutes Bier oder auch ein Glas Wein darf und soll meiner Meinung nach auch in der Saison selbst Platz haben. Es ist alles eine Frage der Menge und des Zeitpunktes.

2. Stärkung von Schwachstellen

Während der Wettkampfsaison liegt der Fokus oft auf spezifischem Training, um die Leistung in bestimmten Disziplinen zu optimieren. In der Off-Season hingegen haben Athleten die Gelegenheit, ihre allgemeine Fitness zu verbessern und an Schwachstellen zu arbeiten.

Das kann bedeuten, dass sie allgemeines Krafttraining in ihren Trainingsplan aufnehmen, um die Muskulatur aufzubauen und die Stabilität zu erhöhen. Es kann auch bedeuten, an Technik und Beweglichkeit zu arbeiten, um damit die Effizienz in ihrer Disziplin zu steigern. Diese breitere Herangehensweise kann Athleten in der nächsten Saison einen entscheidenden Vorteil verschaffen bzw. in Bezug auf die Verletzungsprophylaxe sehr hilfreich sein..

Auch hier gilt in der Off-Season aus meiner Sicht das «Lust-und-Laune»-Prinzip. Wenn jemand sich dazu motivieren kann, ist das okay, wenn dies aber bereits aus einem Zwang passiert, würde ich es besser sein lassen.

3. Mentale Regeneration

Die Off-Season ist nicht nur eine Pause für den Körper, sondern auch für den Geist. Wettkampfmässig betriebener Sport erfordert bekanntermassen nicht nur körperliche Stärke, sondern auch mentale Ausdauer. Die ständige Motivation, harte Trainingseinheiten und Wettkämpfe können mental sehr erschöpfend sein.

Daher empfiehlt es sich auf körperlich harte Einheiten zu verzichten und stattdessen in ein Wohlfühlprogramm zu investieren.

Im Freestyle-Modus durch die Gegend fahren und auch mal wieder das MTB herausnehmen. Fun-Fact: Zufälligerweise fuhren wir hier durch die Heimat des Allgäu-Triathlons, welcher im kommenden Jahr auf der Wettkampfliste steht.

4. Rückblick und Ausblick

Die Off-Season ist auch die Zeit, in welcher sich Athleten über ihre Ziele Gedanken machen können. Dies erfordert eine sorgfältige Analyse der vergangenen Saison, um Stärken und Schwächen zu identifizieren und die Massnahmen für das kommende Jahr zu definieren.

Ich persönlich nutze diese Phase immer auch dazu, um ein Materialupdate vorzunehmen.

5. Lebensbalance und soziale Aspekte

Der aus meiner Sicht fast wichtigste Punkt der Off-Season ist der soziale Aspekt. Je nach Trainingsumfang und Zielsetzungen bleibt dieser während der Saison oftmals etwas auf der Strecke. Man muss sich als Athlet/in immer bewusst sein, dass der/die Partner/in, die Familie oder auch das nähere Umfeld das eigene Hobby mitträgt. Das darf nie selbstverständlich werden. Deswegen finde ich es sehr wichtig, dass sich gerade in der Off-Season oder den weniger umfangreichen Trainingsphasen das eigene Denken nicht ausschliesslich um sich und seine Sportart dreht. Freimachen von kompetitiven Gedanken und die dadurch gewonnene Zeit in Familie und Freunde investieren kann sehr befreiend sein.

Die Natur und die Stille geniessen. In diesem Jahr wanderten wir während vier Tagen quer durch das Emmental und genossen die Zeit an den abgelegensten Ecken.

Ich denke, wir sind Sportler/in genug, um zu wissen, dass wir uns über kurz oder lang wieder auf das Training freuen werden. In diesem Sinne wünsche euch allen eine tolle Auszeit!