Duathlon Langdistanz Weltmeisterschaft – Powerman Zofingen

Duathlon Langdistanz Weltmeisterschaft - Powerman Zofingen

Ein letztes Mal…?

Im Vorfeld vom Powerman Zofingen, oder vielmehr während der gesamten Saison, machte ich mir vor allem über meinen weiteren sportlichen Werdegang ziemlich viele Gedanken. Nachdem ich insgesamt 10 Jahre der Leichtathletik und nun seit fast einem Jahrzehnt dem Duathlon sehr viel untergeordnet hatte, merkte ich zu Beginn des Jahres ein erstes Mal, wie sich eine gewisse mentale Müdigkeit breitmachte.

Für mich kristallisierte sich damit mehr und mehr heraus, dass ich im Herbst meiner sportlichen „Karriere“ unbedingt noch weitere Erfahrungen und Erlebnisse unabhängig von fixen Terminen im Rennkalender sammeln möchte. Insofern stellte ich mich auch darauf ein, dass es in diesem Jahr mein letzter Start an der Duathlon Langdistanz Weltmeisterschaft sein wird. Zugegebenermaßen ein nicht ganz leichter Entscheid – bin ich doch mit Leib und Seele Duathlet. Ein Blick auf die Startliste brachte mich auch bezüglich des Altersdurchschnitts der Konkurrenz etwas zum Schmunzeln – sind doch Fabian Zehnder und ich mit 38 Jahren tatsächlich die beiden alten Hasen.

Die Vorbereitung

Nach der Schweizermeisterschaft über die Triathlon Mitteldistanz in Sion, drei Wochen vor der WM, war ich ziemlich platt. Der Hitzetag mit dem ärgerlichen Rennverlauf hallte vor allem auf physischer Ebene länger nach als gedacht. Mein kleiner Zeh war bis zum Renntag in Zofingen geschwollen und schmerzte. Ich baute daher bewusst ein paar Einheiten etwas um und verbrachte kurzerhand auch wieder ein paar Stunden auf dem Gravelbike. Für Kopf und Körper ein guter Entscheid.

Nachdem ich im vergangenen Jahr mein bestes Rennen in Zofingen gezeigt hatte, war es eigentlich die logische Konsequenz, dieses Jahr nochmals einen draufzusetzen. Aber eben, das ganz gute Gefühl und die Sicherheit, zu 100% ready zu sein fehlte bis zum Wettkampfstart. Eigentlich stellten sich drei Fragen: Wie hoch ist mein Grundspeed für den ersten Lauf? Wie viel Power ist auf dem Bike noch vorhanden? Und wie lang ist mein Atem hintenraus? Denn weder an der Schweizermeisterschaft in Nottwil noch in Nyon hatte ich mit guten zweiten Läufen geglänzt.

Quer durch die Felder zwischen Sugiez und Kerzers. Obwohl der Zeh schmerzte, konnte ich die finalen Tempoeinheiten super absolvieren.

Obwohl diese Fragen herumschwirrten, ging ich ziemlich gelassen in die Wettkampfwoche hinein und widmete mich stattdessen der mentalen Vorbereitung. Physisch musste ich ohnehin mit dem Vorlieb nehmen was vorhanden war. Da es mir in Zofingen in vier Rennen dreimal auf übelste Weise den Stecker gezogen hatte, wollte ich vor allem diese entscheidende Rennsituation antizipieren. Also setzte ich mich mit meinen Dämonen und andererseits auch meinen Stärken auseinander, über welche ich mit meinem inoffiziellen Mentaltrainer ein paar Tage vor dem Rennen philosophierte. Vielen Dank Christof für deine wertvollen Impulse – ich habe einmal mehr sehr stark davon profitiert.

Eine weitere Motivationsspritze kam dann am Samstag, kurz vor dem Athletenbriefing. Als ich in Zofingen durch die Altstadt in Richtung Eventgelände hochlief, staunte ich nicht schlecht, als plötzlich Besuch aus Deutschland vor mir stand. Dominik ist ein enger Freund von mir und seines Zeichens ein wahrer Herzbluttriathlet. Nachdem ich ihn vor zwei Wochen am Ironman Thun durch den Tag begleitete, fuhr dieser verrückte Kerl über 500km aus Deutschland her, um mich am Sonntag zu supporten.

Mein insgesamt achter Einsatz an internationalen Meisterschaften für die Schweiz. Einmal mehr hatten wir eine coole Gruppe am Start.

1. Lauf, 10.3km

Die Namen auf der Elite-Startliste machten klar, dass von Beginn weg das Gaspedal durchgedrückt würde. Das ist einer dieser Punkte, welcher sich zu früheren Zofingen-Austragungen verändert hat: Es wird wenig taktiert und von Beginn weg einfach draufgehauen. 

Der Morgen präsentierte sich herbstlich und beim Start der Elite-Frauen war auf dem Heitereplatz noch dichter Nebel. Es ist schwer zu beschreiben was es ist, aber Zofingen hat einen eigenen Charakter, beinahe einen Mythos, welcher immer wieder zu spüren ist. Daher an dieser Stelle ein grosser Appell an alle Triathleten: Kommt nach Zofingen und stellt euch dieser tollen Herausforderung. Es ist nicht selbstverständlich eine WM im eigenen Land zu haben! Hawaii ist nicht alles! 😉

Was mich auch besonders freute war die Teilnahme meines Klubkollegens David Gundi, der sich ebenfalls auf dieses Abenteuer einliess. So waren sogar zwei Athleten für Triathlon Oberwallis am Start.

Ich stellte mich, wie schon im letzten Jahr, als Startnummer 4 ein und sog die Atmosphäre bei der Athletenpräsentation noch einmal voll auf. Kurz tauchte noch der Gedanke auf: Fuck, ist das jetzt tatsächlich das letzte Mal, wo ich das erlebe?

In den letzten Minuten vor dem Start herrschte in mir drin totale Leere.

Ich machte mir beim Vorlaufen zur Startlinie noch einmal bewusst, wie gut die Saison bis anhin verlaufen war und spürte gleichzeitig, wie der Radius um mich herum immer wie kleiner wurde. Als ich schliesslich vorne beim Start bereitstand, herrschte in meinem Kopf totale Leere. Ich fühlte nichts mehr, sondern war mit jeder Zelle im aktuellen Moment. Es knallte laut und plötzlich waren wir unterwegs. Die Reise hatte also begonnen.

Ich reihte mich irgendwo um Rang 8 ein und versuchte sofort einen eigenen Rhythmus zu finden. Das war eine meiner wichtigsten Devisen heute: Den eigenen Rhythmus finden und den Fokus darauf zu richten. Scheiss drauf, was links und rechts passiert.

Ich beschloss bereits vor dem Start nicht auf Gedeih und Verderben an der Spitze dranbleiben zu wollen und reihte mich in der zweiten Gruppe ein.

Nach zwei Kilometern ging vor mir eine Lücke auf. Ich liess es ohne zu zögern geschehen – hier kam mir die Erfahrung aus 5 Jahren Zofingen zugute. Bereits jetzt Körner zu verschiessen bringt nichts.

Während Jens Gossauer zu denjenigen gehörte, welche sich in die Spitzengruppe kämpfte, bildete sich zum gefühlt tausendsten Mal zwischen Fabian Zehnder und mir ein Gespann in der zweiten Gruppe. Mit dem Belgier Joren Jans im Schlepptau ging es auf die zweite Runde. Vorne konnten wir kurz später sehen, wie der frühere Weltmeister Matthieu Bourgeois und der Däne Silas Engel Plambaek aus der Spitzengruppe fielen. Den Franzosen konnten wir beim Aufstieg überholen und sogleich distanzieren. Ich spürte, dass ich einen guten Zug hatte und mit dem Tempo spielen konnte –  die Bestätigung also, dass die Tagesform gut war. Für den Kopf ein wichtiger Moment.

Schweizerische Zusammenarbeit: Wie schon so oft in Zofingen waren Fabian Zehnder und ich lange gemeinsam unterwegs.

Nach einem kurzen Sammeln auf dem Heitereplatz kam das finale Herunterlaufen in Richtung Wechselzone. Es zerschlug mir nochmals ordentlich die Beine, bevor ich nach einem durchzogenen Wechsel auf das Bike stieg. Ich vergaß die Brille abzuziehen und wurstelte mich erst nach einem zweiten Anlauf in den Helm hinein. Mit Zehnder zusammen und Joran Jans sowie dem Spanier Emilio Tizon Valverde ein paar Sekunden dahinter, ging es auf die Bikestrecke. Zu meinem Erstaunen war der 1. Lauf schlussendlich sogar ein paar Sekunden schneller als im letzten Jahr.

Bike, 146km, 1700Hm

Bei jedem der bisherigen Austragungen wurde auf den ersten Kilometern unglaublich hart gefahren. Es ging immer darum Lücken zu schliessen und Gruppen zu bilden. Ich hoffte darauf, dass Zehnder nicht eine Harakiri-Aktion starten wollte mit einer Aufholjagd, sondern auf ein Miteinander vertraute. Ich reihte mich hinter ihm ein und wartete mal ab was passierte. Wir fuhren mit einem ordentlichen Zug das Mühletal hoch aber glücklicherweise dezenter als die Jahre zuvor. Der Blick zurück zeigte, dass der Spanier bereits zurückfiel aber Jans versuchte den Anschluss herzustellen. Also übernahm ich nach der ersten Abfahrt die Führung, um es dem Belgier gleich mal etwas schwer zu machen. Die Zusammenarbeit zwischen uns Schweizern funktionierte in den daraufkommenden Kilometern hervorragend und so stellten wir auf dem Williberg die Belgier Gabriels und Vandecasteele. Wir attackierten die beiden noch in der Abfahrt und fuhren kurz später zu Engel Plambaek vor. Da die Belgier reissen lassen mussten, waren wir fortan als Dreiergruppe unterwegs und bestritten auch die zweite Runde gemeinsam. Ich erhielt von meinen Supportern zuverlässig die Infos und wusste nun, dass wir auf Rang 4 bis 6 fuhren mit nur +/- 3 Minuten Rückstand auf die Spitze. Ich mahnte mich weiterhin voll konzentriert und ruhig zu bleiben. Aktuell befand ich mich auf einem absoluten Spitzenplatz, was einen verleiten konnte, den Motor überdrehen zu wollen.

Gute Beine und gute Werte. Immer wieder staune ich, dass ich im Duathlon oft besser Rad fahre als im Triathlon. Hervorzuheben gilt es auch die sehr präsenten Schiedsrichter, welche unsere Gruppe fast durchwegs im Blick hatten.

In den Steigungen bekundete ich etwas mehr Mühe, liess mich aber durch die jeweils leicht aufgehende Lücke nicht beirren und zog konstant mein Ding durch. Auch nach 80km leuchteten weiterhin Zahlen knapp unter den 300 Watt auf dem Garmin auf, wenn ich die Ablösungen fuhr. Weiterhin übernahmen primär Zehnder und ich die Verantwortung für ein kontrolliertes Tempo. Da ich bei meiner letzten Führung fast 20km nicht abgelöst wurde, ahnte ich, dass es den beiden Jungs hinter mir zumindest nicht zu langsam war. Ich wertete es als gutes Zeichen.

Ich fokussierte mich nun mehr und mehr auf die Schallmauer, welche in Zofingen in der Regel eingangs der dritten Runde auftaucht. Physisch schien weiterhin alles zu passen, auch wenn eine gewisse Müdigkeit spürbar wurde. Nachdem wir nach der zweiten Zieldurchfahrt nur knapp einem Unfall ausweichen konnten, erhielt ich bei km100 ein Schild von Dominik vorgehalten: „Phanos sagt mehr Druck!“ Ich musste direkt grinsen. Phanos ist unser Hund und hat wohl anderes im Kopf, als mir Wettkampftipps zu geben. Auf jeden Fall eine coole Aktion! Und die eigentliche Aussage war vielmehr „weiterhin spielen“.

Fast 80km fuhren Zehnder, Plambaek und ich (hier an der Spitze fahrend) als 3er-Gruppe zusammen. 

Nicht immer alles so ernst nehmen 😉 Vielen Dank Dominik für deinen wertvollen Support an der Strecke!

Von mehr Druck machen war zwar zunehmend weniger die Rede aber dennoch konnte ich ein halbwegs vernünftiges Tempo halten und ordentliche Werte drücken. Wie so oft in Zofingen zerschlug sich jede Gruppe nach 100km in seine Einzelteile. Vorne fuhr der Däne langsam weg, während hinten Zehnder den Anschluss an mich verlor. Ich entschied mich, nicht mitzugehen. Der Aufwand erschien mir zu gross und ich wollte die Körner später einsetzen. Also fuhr ich die letzte Runde alleine und musste auf mein Gefühl vertrauen. Die besagten Dämonen klopften zwar an aber hatten heute nichts zu melden. Ein paar Mal riskierte ich einen Blick zurück, jedoch war weit und breit niemand mehr zu sehen.

Mit einer Radzeit von 3:55 Stunden und auf dem sensationell Rang 5 liegend kam ich zurück in die Wechselzone. Ich spürte, wie meine Leute etwas nervöser wurden ob der guten Platzierung. 4 Minuten vor mir war der Deutsche Fabian Holbach klassiert, der gemäss Aussage am Wanken war. Was war also zweiten Lauf noch möglich?

Mit einer guten Portion Müdigkeit kam ich nach 150km auf Position 5 liegend in die Wechselzone. Das Laufen in genau diesem Moment fühlte sich katastrophal an.

2. Lauf, 26km, 450Hm

Ich nahm mir beim Wechsel etwas mehr Zeit und checkte beim Herauslaufen aus der Wechselzone kurz mein physische Zustand. Ich lief einigermassen rund und der Schritt ging vorwärts. Trotzdem machte sich die Wärme nun langsam bemerkbar und ich wusste nur zu gut, was noch vor mir lag. Als ich hörte, wie der Speaker erwähnte, dass ich nur 9 Minuten Rückstand auf den Führenden Baptiste Domanico aus Frankreich hatte, staunte ich nicht schlecht. Noch nie lag ich so gut im WM-Rennen wie heute.

Der Support von den Zuschauern beim Herauslaufen aus Zofingen war schlicht genial. Ich hörte an vielen Orten meinen Namen und bekam tolle Unterstützung. Der spürbare Enthusiasmus und die vielen Zurufe meiner Leute taten enorm gut, aber ich sagte beim Vorbeilaufen ziemlich deutlich „ich muss in den Lauf reinfinden – gebt mir einfach die Infos durch“.

Den eigenen Rhythmus suchen und den Motor nicht überdrehen. Die erste von vier Laufrunden ging ich eher defensiv an.

Der in der Wechselzone bereitgelegte KH-Mix, welche ich nun in der Softflask Flasche dabeihatte, war von der Sonne warm und schmeckte dadurch schlichtweg widerlich. Ich zwang mich dennoch, das Zeug in der geplanten Regelmässigkeit zu konsumieren. Die erste von insgesamt vier Runden verlief solide, aber Zehnder lief schlussendlich nach 10km an mich heran. Ein kurzer Austausch zwischen uns, dann vergrößerte sich die Lücke etwas und ich lief ein paar Meter hinter ihm her. Ich versuchte weiterhin ruhig zu bleiben, es konnte noch zu viel passieren. Nur eine halbe Runde später lief ich wieder an ihm vorbei, wurde aber kurze Zeit später vom Belgier Sam Gabriels überholt. Dieser lief schlicht überragend und wies am Ende die beste Laufzeit auf.

Ich versuchte bei den Kreuzungspunkten zu erkennen, wer von den Gegnern hinter mir noch wie gut lief bzw. aussah. Alle schienen ziemlich Dampf in ihrem Schritt zu haben und ich spürte teilweise eine Art Panik die aufstieg. Ich merkte auch zunehmend, wie meine Energiereserven langsam aber sicher sanken. Längst lief ich nur noch mit Cola und Wasser. Trotzdem, und das war ein entscheidender Punkt, wurde ich gemäss den Kilometerzeiten nicht massiv langsamer. Von Nadia, Dominik und meinem Vater wurde ich auf die letzte Runde geschrien, während meine Mutter oben auf dem Heitereplatz wartete und mich zuverlässig über die Rennsituation informierte. Hinten kam niemand mehr näher und ich musste glücklicherweise nicht mehr ganz ans Limit gehen. Es war aber auch schon so hart genug.

Überlebensmodus ein in der letzten Laufrunde. Hier wusste ich jedoch bereits, dass der 6. Rang fast auf sicher war.

Die letzten Kilometer, welche von ganz oben bis runter ins Ziel führten, konnte ich tatsächlich ein klein wenig geniessen. Zwar schmerzte so ziemlich alles, aber ich wusste nun, dass ich den 6. Rang auf sicher hatte.

Der Zieleinlauf entschädigte dann für Vieles. Für verpatzte Rennen, für unzählige Stunden des Leidens und für all die Zweifel, welche halt auch dazugehören. 19 Minuten hinter dem verdienten Sieger, Baptiste Domanico, beendete ich das Rennen mit meinem besten WM-Resultat. Ein erstes Mal von fünf Teilnahmen konnte ich die Atmosphäre im Zielkanal aufsaugen, abklatschen und kurz vor dem Ziel noch meine Frau umarmen. Ein Moment für die Ewigkeit.

Ein Moment, welcher für so Vieles entschädigt.

Ein letztes Mal…?

Natürlich tauchte die Frage noch am gleichen Tag auf: War das jetzt wirklich dein letztes Mal Zofingen? Aus der heutigen Perspektive sage ich ja. Hätte es einen schöneren Abschluss geben können als mit dem besten WM-Resultat abzutreten?

Eine zweite Frage stellte ich mir im Verlaufe des Abends ebenfalls. Wie um alles in der Welt soll ich den Saisonabschluss in drei Wochen überstehen? Der Langdistanz Triathlon im Rahmen vom Elbaman steht an. Im Übermut habe ich mich dort Anfang Jahr angemeldet. Vielleicht treffen es die Worte von Dominik ganz gut: „Ihr Duathleten seid echt nicht ganz normal.“

Bevor es in die Saisonpause geht, bin ich gespannt, wie das letzte sportliche Kapitel von 2025 geschrieben wird.

Nach dem Zieleinlauf wurde es dann kurz etwas emotional. Ich bin meiner Frau so unglaublich dankbar, dass sie das alles mitträgt und mich immer wieder unterstützt.

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