Krafttraining im Ausdauersport

Krafttraining – Was ist das?

Es herrschen oftmals gewisse Kontroversen, wenn es um den Einsatz von Krafttraining im Ausdauersport geht. Studien zeigen, dass gezieltes maximales Krafttraining die Leistung verbessert, sowie zur Effizienz und Verletzungsresistenz beiträgt. Bei richtiger Dosierung notabene ohne negative Auswirkungen auf die Ausdauerleistung. Trotzdem: Macht der Einsatz von Krafttraining mit (hohen) Gewichten für alle Sinn?

Genau hier muss meiner Ansicht nach eine differenziertere Betrachtung beginnen. Nämlich die Auseinandersetzung mit Zeitbudget, Verletzungshistorie, Zielsetzungen, Kurz- oder Langzeitausdauer sowie muskulären Dysbalancen. Auch muss erst einmal definiert werden, was Krafttraining überhaupt ist. Wo endet Ausdauer und wo beginnt Kraft?

Dieser Übergang liegt bei ca. 50% des 1RM (One-Repetition-Maximum) – also 50% von dem Gewicht, welches man mit maximaler Anstrengung 1x anheben kann. Nimmt man es nämlich ganz genau, dann ist das viel zitierte Kraftausdauertraining mehr ein lokales Ausdauertraining, welches eine Anpassung des Stoffwechsels anstrebt und nur in zweiter Linie den Kraftzuwachs. So geht es dabei um Ermüdungsresistenz bei zyklischer (wiederholender) und statischer (haltender) Arbeit im Sport. Allerdings wird die Kraftausdauer irgendwann von der Maximalkraft limitiert.

Hypertrophie und Intramuskuläre Koordination, also maximales Krafttraining mit deutlich höheren Gewichten und weniger Wiederholungen, verfolgen Ziele wie Muskelzuwachs oder bessere neuromuskuläre Ansteuerung. Im Grunde ist das auch die Zielsetzung von dem was wir unter Krafttraining verstehen: Die Erhöhung der maximalen Kraftfähigkeiten.

Physiologische Anpassungen

Konkret wirkt klassisches Krafttraining auf mehreren Ebenen:

  1. Neuromuskulär: Verbesserte intramuskuläre Koordination, Rekrutierung und Synchronisation motorischer Einheiten bzw. den Muskelfasern. Damit können Bewegungen grundsätzlich ökonomischer stattfinden, da der Muskel besser angesteuert wird.
  2. Strukturell: Hypertrophie von Typ-II-Muskelfasern (vereinfacht gesagt, die «anaeroben» Muskelfasern) ohne signifikanten Massezuwachs bei richtiger Dosierung. Kann bei einer «ungleichen Verteilung» zwischen Ausdauer- und Krafttrainings aber zu Gewichtszunahme führen und die Stoffwechsellage in eine anaerobe Richtung verschieben.
  3. Mechanisch: Erhöhte Steifigkeit und Elastizität der Sehnenstrukturen, was die Lauf- und Pedalökonomie verbessert.
  4. Metabolisch: Verzögerte Ermüdung durch ökonomischere Kraftentwicklung bei submaximaler Intensität über Kraftausdauertraining.

Es ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass Krafttraining das Ausdauertraining nicht ersetzen, sondern ergänzen kann. Es gilt hier die richtige Dosis zu finden.

Prioritäten im Trainingsaufbau

Krafttraining ist also kein Selbstzweck, sondern muss sinnvoll periodisiert werden. Die folgende Hierarchie (nach dem Prinzip „vom Allgemeinen zum Spezifischen“) hat sich in der Praxis bewährt:

  1. Kräftigung durch die Disziplin selbst (Stabilisation)
    • Technik- und Bewegungsökonomie: Sprünge (Fussgelenk, Springseil, Strecksprung), Bergaufläufe, tiefe Trittfrequenzen, Schwimmen mit Paddles.
    • Ziel: Entwicklung der grundlegenden Bewegungskraft und Bewegungsqualität.
  2. Prävention & Stabilität (Stabilisation)
    • Rumpf, Beinachse, Fußstabilität, Minibänder, Zugseil, usw.
    • Ziel: Verletzungsprophylaxe sowie Basis für höheres Trainingsvolumen und bessere Bewegungsqualität.
  3. Kraftgewinn mit Gewicht (Krafttraining)
    • Klassische Grundübungen: Kniebeugen, Kreuzheben.
    • Ziel: Erhöhung der Maximalkraft und neuronalen Ansteuerung.

Kräftigung durch die Disziplin selbst mag etwas irritierend klingen, ist jedoch eine einfache Möglichkeit um Kraftimpulse im Trainingsalltag zu setzen. Jede Bewegung setzt schliesslich eine Grundkraft voraus. Wenn ich die Bewegung technisch sauber beherrsche, kann ich mit gezielten Erschwerungen die Muskulatur weiter fordern. Sprünge beispielsweise sind genau genommen ein Element der obersten Stufe, welches ich jedoch in angepasster Form gerne in Trainings integriere.

Bei vielen Agegroup-Athleten muss der Fokus ganz klar auf der Qualität der ersten zwei Stufen, also der Stabilisation, liegen. Das heisst, dass eine gewisse Bewegungsqualität an erster Stelle steht und dafür Voraussetzungen in Form von Rumpf-, Bein- oder Fussstabilität geschaffen werden müssen. Der Körper soll also geschützt und stabilisiert werden. Sollte bereits eine grössere Verletzungshistorie vorhanden sein oder ein sehr hohes Trainingsvolumen, welches dem Körper deutlich mehr abverlangt, sollte ein Krafttraining mit hohen Lasten integriert werden. Dies kann zum Einen eine Leistungsreserve darstellen, zum Anderen aber auch wieder prophylaktisch genutzt werden. Die Übungen müssen dabei technisch jedoch einwandfrei beherrscht werden, da Maximalkrafttraining den Körper stark fordert.

Das Modell zeigt meine persönliche und ganz generelle Priorisierung des Einsatzes von Stabilisations- und Krafttraining. Während die ersten zwei Stufen im Prinzip parallel zueinander entwickelt werden sollten, ist die 3. Stufe eine mögliche Ergänzung unter gewissen Umständen. Wird jedoch die 3. Stufe gut integriert, ergeben sich auch Verbesserung auf der 1. Stufe. (Die Ökonomie beim Laufen und Radfahren kann verbessert werden, ohne negative Effekte auf VO₂max oder Kapillardichte.)

 

Integration in den Trainingsalltag

Natürlich wäre es für alle Athleten auch im Sinne der Gesundheit super, wenn man Krafttraining machen könnte. Allerdings kommen hier Faktoren wie «verfügbare Zeit» und «Prioritätensetzung» ins Spiel. Daher würde ich im Triathlon ganz vorsichtig sagen, dass bei einer Nettotrainingszeit um die 6 Stunden und bei Einsteigern der Fokus auf Stabilität & disziplinspezifische Kraft gelegt werden sollte. Bei ambitionierten, fortgeschrittenen Athleten mit einem deutlich höheren Trainingspensum (>10 Stunden) kann ein ergänzendes (Sub-)Maximalkrafttraining in den Wintermonaten sehr sinnvoll sein. Durch eine Verbesserung der (maximalen) Kraftfähigkeiten, ergibt sich auch ein Profit auf der Ebene der Bewegungsökonomie.

Die Integration des Krafttraining mit Gewichten stellt in der Praxis jedoch einen gewissen Stolperstein dar. Die ermüdete Muskulatur braucht je nach Auslastung 1-3 Tage, um sich vollständig zu erholen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Krafttrainings idealerweise nicht unmittelbar an einem Tag vor Schlüsseleinheiten stattfinden sollte. Die Kerneinheiten dürfen bzw. sollten nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Es bringt nichts und ist definitiv kontraproduktiv, wenn man aufgrund von zu hartem Krafttraining die Tage danach muskulär flach liegt und weder Laufen noch Velo fahren kann. Zudem können zu nahe aufeinanderliegende Ausdauer- und Krafteinheiten einander vom Reiz her konkurrenzieren. 

Fazit

Krafttraining mit hohen Lasten ist im Ausdauersport nicht zwingend ein Muss, sondern abhängig von den genannten Faktoren. Klar ist jedoch, dass jede/r davon profitieren könnte. Aufwand und Ertrag müssen da gut abgewogen werden. Eine zweckmässige, intensive Athletik lässt sich jedoch problemlos im Alltag einbauen und muss daher fixer Bestandteil von leistungsorientierten Trainings sein. Wer es richtig periodisiert – von funktioneller Stabilität bis zur gezielten Maximalkraft – profitiert von:

  • verbesserter Effizienz
  • höherer Leistungsfähigkeit
  • geringerer Verletzungsanfälligkeit
  • langfristig stabilerem Fortschritt
Quellen

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